Neue SPD-Troika steht vor großen Aufgaben
Die neue SPD-Troika mit Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles steht vor großen Aufgaben. Gerade der neuen Generalsekretärin Andrea Nahles war von vielen als das neue Machtzentrum der Genossen gesehen worden. Doch die Delegierten des Bundesparteitags sahen das anders.

Richtige Begeisterung sieht anders aus. Fast zwei Minuten beklatschten die rund 500 SPD-Delegierten in Dresden eher freundlich ihren gescheiterten Kanzlerkandidaten. Einige eingefleischte Sympathisanten von Frank-Walter Steinmeier gaben den Takt vor, damit der Beifall nicht so rasch verebbte.

Nicht ganz einfach war für den Fraktionschef die Aufgabe nach der fulminanten Rede von Sigmar Gabriel am Vorabend - wohl der Höhepunkt des ganzen Parteitags. Steinmeier versuchte auch gar nicht erst, dem neuen SPD-Chef nachträglich die Show zu stehlen. Mit gezielten Frontalangriffen auf die neue Koalition ging er daran, im eigenen Lager zu punkten. "Wir dürfen den anderen, den Schwarz-Gelben, keine Ruhe lassen", donnerte er in den Saal. Die machten "Schulden wie im Rausch". Die Gekniffenen, die in die Röhre gucken, seien die große Mehrheit im Lande, polterte Steinmeier.

Als einige Zuhörer schon dabei waren, in Zeitungen zu blättern oder Papiere zu lesen, ging er knapp auch auf die Lage der eigenen Partei ein. «Vor uns liegt eine schwere Zeit. Wir müssen die SPD neu erfinden - ohne Rechthaberei und Hochmut», lautete eine Erkenntnis, der allerdings keine konkreten Handlungsanweisungen folgten. Ebenso wie bei Franz Müntefering am Vortag fehlten auch bei Steinmeiers Rede selbstkritische Reflexionen über die eigene Rolle in den letzten elf Jahren. Ja, man brauche über die Zeit jetzt eine «ehrliche Diskussion», der Wählerwille könne nicht einfach ignoriert werden, sagte er nur. Das war es dann auch zu diesem Punkt.

Die Erwartungen, die SPD gehe nun mit einer gleichstarken Troika an den eigenen Wiederaufbau, haben sich in Dresden erst einmal erledigt. Die furiose Art, mit der Gabriel dort als fürsorglicher Parteivater, Vordenker und Erneuerer die Herzen des Parteivolks im Sturm eroberte, macht ihn im neuen SPD-Gefüge zur klar dominierenden Figur.

Ob Steinmeier seine Ankündigung wie geplant umsetzen kann, die dezimierte Fraktion zum eigentlichen SPD-Machtzentrum in der Opposition zu machen, scheint fraglich. Ganz egal, warum der frühere Vizekanzler nach dem Wahldebakel den ihm angetragenen SPD-Vorsitz ausschlug: Seine eigene Position in der SPD hat diese Entscheidung nicht gerade gestärkt. Und im Parlament muss der Neuling seine Qualität erst noch beweisen, sich gegen starke Konkurrenz im Oppositionslager zu behaupten. Daneben muss er gleichzeitig die traditionell schwierige SPD-Fraktion zusammenhalten. Derzeit agiere Steinmeier noch "mehr als Chef und weniger als Vorsitzender", merken SPD-Abgeordnete spitz an.

Jedenfalls steht der neue Vormann schon unter Beobachtung. Erfüllt er die Hoffnungen, dürfte ihn niemand infrage stellen. Ist dies nicht der Fall und wächst die Unzufriedenheit, steuert die SPD wohl unausweichlich auf einen neuen Machtkampf zu. Gabriel könnte gedrängt werden, neben dem Partei- auch den Fraktionsvorsitz zu übernehmen. Für eine maximale Schlagkraft gehörten beide Ämter gerade in der Opposition in eine Hand, sind jetzt schon viele überzeugt. Bis zum Wahltag am 27. September glaubte Gabriel fest daran, keine Chance auf die Nachfolge von Peter Struck in der Fraktion zu haben. Nach den stürmischen Ovationen für ihn in Dresden könnte das anders sein.

Vorerst fürchten braucht der Parteichef auch nicht die einzige Frau in dem neuen Führungstrio. Mit ihrem bescheidenen Wahlergebnis von knapp 69,6 Prozent wurde Andrea Nahles als Generalsekretärin vom Parteitag zurecht gestutzt. Spekulationen, die 39-Jährige werde ab sofort die eigentliche Generalin und nicht etwa nur die Sekretärin in der SPD-Zentrale, sind erst einmal vom Tisch. Entsprechend verschnupft reagierte Nahles. Warum die üblichen Wahl-Absprachen der Delegierten bei ihr nicht geklappt haben, darüber wurde am Samstag noch gerätselt.

Ganz anders sah dies bei Klaus Wowereit aus, der vor der Abstimmung in diversen Landesgruppen erfolgreich auf persönliche Werbetour ging. Statt des eigentlich einkalkulierten schlechtesten Resultats bei den Stellvertreter-Wahlen kam Berlins Regierender Bürgermeister mit knapp 90 Prozent auf das zweitbeste Resultat und damit sogar fast in die Nähe von Gabriels Traumergebnis.

dpa