"Die kann es einfach nicht. Es fehlt ihr der Sinn für das, was die Gesellschaft zusammenhält." CDU/CSU und FDP gehe es nicht um das Gemeinwohl, es handele sich vielmehr um eine "Klientel-Koalition".
Seine eigene Partei rief Gabriel zur Geschlossenheit und zu einem Neuanfang auf: "Die allermeisten außerhalb der SPD interessieren sich nämlich nicht für unseren innerparteilichen Streit, für unsere Personaldebatten oder für unsere Flügel", sagte er in seiner am Ende mit gut sechs Minuten Beifall begeistert gefeierten Rede. "Aber sie haben ein sehr deutliches Gespür dafür, ob wir das, was wir über eine tolerante, weltoffene und solidarische Gesellschaft erzählen, auch selbst vorleben."
"Die SPD hat schlimmere Krisen durchlebt"
Gabriel sprach den rund 500 Delegierten Mut zu: "Die SPD hat in ihrer Geschichte schlimmere Krisen durchlebt als jetzt." Die SPD müsse die Deutungshoheit wiedererlangen. Nur wer die Deutungshoheit im Lande habe, habe die politische Mitte gewonnen. Die Mitte sei nie ein "fester Ort" gewesen und auch nicht an bestimmte Gruppen oder Parteien gebunden. Sie müsse immer wieder erkämpft und erobert werden. Die SPD müsse wieder stärker an die Basis gehen, dorthin, "wo es brodelt, manchmal riecht und gelegentlich auch stinkt".
Der SPD-Politiker rief seine Partei auf, spätestens in zwölf Monaten Antworten auf die jetzt aufgeworfenen Fragen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik - darunter die Rente mit 67 und Leiharbeit - zu geben. "Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Sicherheit und ökologische Verantwortung - das gehört für uns zusammen", betonte er. Ziel bleibe Vollbeschäftigung. Die schwarz-gelben Steuersenkungspläne für bestimmte Gruppen führten spätestens in zwei Jahren zu steigenden Sozialbeiträgen und Steuern. Gabriel sprach sich auch für kostenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule aus. Auf die Rente mit 67 ging Gabriel nicht näher ein.
Mit Blick auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr räumte Gabriel ein, dass er "keine schnelle Lösung" bieten könne. Anders als im Irak fuße der Einsatz dort auf ein UN-Mandat.
"Nicht über Wahlanalyse innerparteilich zerlegen"
Gabriel forderte eine umfassende Aufarbeitung des Wahldebakels vom 27. September, warnte seine Partei aber davor, "sich über die Wahlanalyse weiter innerparteilich zu zerlegen". Überprüfen heiße, zu sehen, was in den elf Jahren Regierungszeit gut und was falsch gelaufen sei. Und es sei nicht alles schlecht gewesen. Es gebe vieles, "auf das wir nach wie vor stolz sein können". Gabriel übernahm die Mitverantwortung für das 23-Prozent-Debakel der SPD bei der Bundestagswahl. "Ich fühle mich verantwortlich für alles, was wir in den letzten Jahren gemacht haben."
Der designierte Parteichef betonte den eigenständigen Kurs seiner Partei. "Die deutsche Sozialdemokratie definiert sich weder in Abgrenzung noch in Ableitung von anderen Parteien." Mit Blick auf die Linkspartei betonte er: "Es gibt für mich keinen Grund, Koalitionen prinzipiell auszuschließen. Aber es gibt auch keinen Grund, sie prinzipiell immer zu schließen."