Evangelische Kirche wundert sich über Orthodoxe
Not amused: Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich verwundert über die Kritik der russischen Orthodoxie an EKD-Ratschefin Margot Käßmann gezeigt. Moskau will den Dialog abbrechen, weil eine geschiedene Frau an der Spitze der deutschen Protestanten steht.

Die Absicht der Russischen Orthodoxen Kirche, wegen der Wahl von Bischöfin Margot Käßmann zur Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die zwischenkirchlichen Kontakte auszusetzen, stößt bei der EKD auf großes Unverständnis. Dies verdeutlichten Käßmann und EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte in einem Schreiben an den Moskauer Patriarchen Kyrill I., wie die EKD am Freitag in Hannover mitteilte. Darin heißt es, einige Vertreter des Außenamtes der russisch-orthodoxen Kirche hätten die Wahlen zum EKD-Rat in "unangemessener Weise" kommentiert. Zugleich versichert die EKD ihr Interesse an einer Fortsetzung des Dialogs.

Vertreter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats hatten angekündigt, dass die Beziehungen zur EKD beendet würden. Dabei stellten sie einen Bezug zur Wahl Käßmanns zur EKD-Ratschefin her. Eine Frau im Bischofsamt sei aus orthodoxer Sicht nicht mit den Prinzipien des Evangeliums vereinbar. Die für Ende November geplanten Feiern zum 50-jährigen Bestehen des Dialogs zwischen orthodoxer Kirche und EKD vor 50 Jahren seien auch das Ende der Gespräche, wurde der Leiter des kirchlichen Außenamtes, Erzbischof Hilarion Alfejew, von der Zeitung "Kommersant" zitiert.

Jubiläumsfeier fällt aus

Die EKD bedauere die "kürzlich eingetretene Entwicklung" sehr, stellen die Ratsvorsitzende und der Auslandsbischof fest. Ein für 30. November in Berlin geplantes Treffen zum 50. Jahrestag des evangelisch-orthodoxen Dialogs findet nach Angaben der EKD nicht statt. Als Begründung wird die Absage von Alfejew genannt. Dieser steht seit März an der Spitze des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Der seit Februar amtierende Patriarch Kyrill I. hat sich persönlich noch nicht in die Debatte eingeschaltet. Er galt bisher als Mann des Ausgleichs und der Ökumene.

Die EKD sei weiter an einer Fortsetzung des wichtigen theologischen Dialogs "über christliche Zentralfragen" interessiert, schreiben Käßmann und Schindehütte an das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche. Sie erinnern daran, dass unterschiedliche Auffassungen über den geistlichen Dienst von Frauen in der Kirche bisher "kein Hinderungsgrund für fruchtbare zwischenkirchliche Beziehungen auf bilateraler und multilateraler Ebene" gewesen seien. Es sei vielmehr "ein christliches Gebot des gegenseitigen Respekts im geschwisterlichen Umgang, Unterschiede im Leben und Glauben unserer Kirchen auszuhalten und um den gemeinsamen Grund zu wissen, wie der Apostel Paulus an die Epheser schreibt: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe", heißt es in dem Brief.

Konservative Protestanten verteidigen Russisch-Orthodoxe

Unter den russischen Lutheranern gibt es offenbar unterschiedliche Meinungen zu der Absage der Orthodoxen. Der Chefsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche Ingermannland auf dem Gebiet Russlands, der Priester Alexander Priluzki, nannte die Wahl Käßmanns ein "Krisenzeichen in der westlichen Gesellschaft". Auch die Evangelisch-lutherische Kirche von Ingermanland (Finnen) begrüßte nach Medienberichten die Haltung des Moskauer Patriarchats. Der Pastor der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland, die eine Regionalkirche der ELKRAS ist, Matthias Zierold, vertritt ein klares Ja zur Frauenordination: "Leider wird meine Position nicht von allen Brüdern unserer Kirche geteilt. In der ELKRAS gibt es hierzu keine einheitliche Position. Es gibt Regionalkirchen mit und Regionalkirchen ohne Frauenordination."
 

Auch konservative Protestanten in Deutschland verteidigten den Schritt der russisch-orthodoxe Kirche. Diese sowie viele lutherische Christen in Russland und aller Welt sähen in der Wahl der hannoverschen Landesbischöfin Käßmann "einen weiteren Sieg der liberalen, feministisch-ideologischen Strömung", sagte der Vorsitzende der Konferenz Bekennender Gemeinschaften in Deutschland, Ulrich Rüß. Dies schade nicht nur der Ökumene, sondern auch der Einheit der evangelischen Kirche insgesamt. Diese wachse allein "mit der Treue zur Bibel und zum Bekenntnis sowie mit der ideologiefreien Zentrierung auf Christus und im Bezeugen des Dreieinigen Gottes".

Serbisch-Orthodoxe: Kein Verständnis für Ablehnung

Der Generalvikar der serbisch-orthodoxen Diözese für Mitteleuropa, Erzpriester Milan Pejic aus Hannover, äußerte indessen Unverständnis über die Ankündigung aus Moskau. "Ich kann nicht verstehen, warum die russische Kirche so reagiert hat", sagte Pejic dem epd. "Vielleicht wollen sie etwas anderes damit bezwecken." Die russische Kirche habe die Möglichkeit gehabt, sich vor der Wahl zu äußern, denn es sei bekannt gewesen, dass Käßmann kandidiere.

Er habe noch keine anderen negativen Stimmen aus orthodoxen Kirchen zur Wahl der Ratsvorsitzenden gehört, unterstrich Pejic. Die serbisch-orthodoxe Kirche wolle sich in Angelegenheiten anderer Kirchen nicht einmischen: "Wir respektieren die Wahl jeder Kirche für ihren Bischof oder ihr Oberhaupt." Bischöfin Käßmann sei eine gute Repräsentantin des Christentums in Deutschland.

"Oberhaupt der deutschen Lutheraner"

Für Verwunderung sorgte in Deutschland unterdessen auch die Berichterstattung in russischen Medien über die Absage des Dialogs. Darin war vielfach davon die Rede, Käßmann sei zum "Oberhaupt der deutschen Lutheraner" gewählt worden. In der EKD sind hingegen lutherische, reformierte und unierte Landeskirchen verbunden. Sie repräsentiert damit die gesamt Bandbreite des Protestantismus. Frauen im Bischofsamt, wie von Moskau kritisiert, gibt es in Deutschland zudem bereits seit Anfang der 1990er Jahre. Die erste von ihnen, Maria Jepsen aus Hamburg, unterhält beste Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche in Sankt Petersburg, der Partnerstadt Hamburgs.

epd/evangelisch.de