Vorurteile gegen bestimmte Gruppen in EU weit verbreitet
Vorurteile gegenüber Migranten, Muslimen, Juden, Frauen und Homosexuellen sind in Europa weit verbreitet. Das zeigt eine Untersuchung. Grünen-Chef Özdemir sprach von einer "dramatischen Situation".

Am ausgeprägtesten ist die Intoleranz in Ungarn und Polen, wie aus der am Freitag in Berlin vorgestellten "Studie über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Europa" hervorgeht. In den Niederlanden gebe es dagegen am wenigsten Vorurteile und negative Einstellungen. Befragt wurden jeweils 1.000 Menschen in acht EU-Staaten. Koordiniert wurde die Studie vom Bielefelder Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung.

Grünen-Chef Cem Özdemir sprach bei der Präsentation der Ergebnisse von einer "dramatischen Situation" für Europa. "Gerade weil niemand als Demokrat geboren wird", müsse in den Bildungseinrichtungen mehr Wert auf "eine aktive Erziehung zur Demokratie" gelegt werden.

"Natürliche Hierarchie zwischen Schwarzen und Weißen"

Laut Studie ist etwa jeder Vierte (24,4 Prozent) der Meinung, dass Juden "zu viel Einfluss" im Land haben. Und fast ein Drittel (31,1 Prozent) plädiert "eher oder voll und ganz" dafür, dass es eine "natürliche Hierarchie zwischen Schwarzen und Weißen" gibt. Zudem befürwortet eine Mehrheit der Europäer (60,2 Prozent) traditionelle Geschlechterrollen und fordert, Frauen sollten ihre Rolle als Mutter und Hausfrau ernster nehmen. 42,6 Prozent lehnen gleiche Rechte für Schwule und Lesben ab und beurteilen Homosexualität als "unmoralisch".

Jeder zweite Europäer (50,4 Prozent) stimmt der Aussage zu, "dass es zu viele Einwanderer in seinem Land gibt" und 54,4 Prozent sind der Meinung, dass der Islam eine Religion der Intoleranz ist. Dabei variieren die Werte von Land zu Land zum Teil erheblich. So sind in Polen nur 27,1 Prozent der Meinung, dass es zu viele Einwanderer im Land gibt, in den Niederlanden sind es 46 Prozent und in Italien mit 62,4 Prozent die meisten Befragten im europäischen Vergleich.

Autoritäre Einstellungen begünstigen Vorurteile

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass in sechs von acht Ländern der persönliche Kontakt von Durchschnittsbürgern beispielsweise zu Migranten, Juden oder Homosexuellen zu einem Abbau von Vorurteilen auch gegenüber anderen Gruppen geführt hat. Befragt wurden Menschen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Polen und Ungarn.

Die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, sprach von einem "alarmierenden Ausmaß an Vorurteilen" und forderte gemeinsame europäische Initiativen, um "eine gemeinsame nicht rassistische Zivilgesellschaft zu entwickeln". Zugleich warnte sie vor einer Bedrohung der Demokratie durch die verbreitete Menschenfeindlichkeit.

Laut dem Leiter der Studie, dem Sozialwissenschaftler Andreas Zick, sind autoritäre Einstellungen bei Menschen "wichtig, um Vorurteile zu erklären." So seien bei Menschen zum Beispiel mehr Vorurteile festzustellen, "wenn sie sich mehr Disziplin und ein schärferes Vorgehen gegenüber Unruhestiftern wünschen". Hinzu komme, "je religiöser sie sich selbst einschätzen, desto eher tendieren sie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Zudem nehmen den Angaben zufolge Vorurteile mit höherem Alter und geringerer Bildung zu.

epd