Aus dem Maschinenraum (8): Teure Gratis-Spiele
Gratis-Spiele im Internet locken Kinder an. Das ist problematisch, meint unser Autor Michael Stein. Weil Kinder AGBs akzeptieren, deren Folgen sie nicht einschätzen können.
12.11.2009
Von Michael Stein

Eines vorweg: Eigentlich bewege ich mich gerne im Internet. Ich nutze das Netz vor allem beruflich, ab und zu aber auch privat. Noch nie war es so einfach, an Information zu kommen, noch nie war die Kommunikation untereinander so schnell und direkt. Aber in den letzten Jahren sind im Netz so einige Angebote dazugekommen, die das Netz wirklich gefährden. Angebote, die langfristig dazu führen können, dass sich immer mehr Menschen davon abwenden und für sich entscheiden, künftig wieder ganz ohne das Internet auszukommen. Und tatsächlich fragt man sich bei näherer Betrachtung von manchen Angeboten im Internet schon, was da eigentlich bei der Sozialisation der Erfinder und Betreiber schief gelaufen ist.

Pferde im Weltall

Ein Beispiel dafür sind die immer wieder neuen Abzock-Maschen. Eine davon sind die so genannten "Gratis-Spiele", die sich vor allem an Kinder und Jugendliche richten. Von den magischen Begriffen "kostenlos" und "gratis" angelockt, melden sich die Kinder bei Spielen wie zum Beispiel "Dark Orbit" (für Jungen) oder "Howrse" (für Mädchen) an, um gegen fremde Raumschiffe zu kämpfen oder Pferde zu züchten. Während der Anmeldeprozedur akzeptieren die minderjährigen Spieler dann "Allgemeine Geschäftsbedingungen", die so kompliziert sind, dass selbst ein Jurist zum Lesen und Prüfen vermutlich mehrere Stunden brauchen würde. Zitat aus den AGBs des Pferdespiels "Howrse": "Die Registrierung und die Teilnahme am Spiel durch Minderjährige erfolgt stets unter der Verantwortung und mit dem Einverständnis der Eltern oder der sonstigen Erziehungsberechtigten."

Dass die AGBs so kompliziert sind, dafür gibt es einen guten Grund: Sinn und Zweck von Spielen dieser Art ist es nämlich nicht, Kindern kostenlosen Spielespaß im Internet zur Verfügung zu stellen. Sinn und Zweck ist – natürlich – das Geldverdienen. Und das in großem Stil. Im Klartext: Die Betreiber derartiger Spiele locken die jungen Spieler zunächst mit kostenloser Teilnahme an und kassieren später ab. Nach den ersten Spielrunden kommen die Spieler dann nämlich an einen Punkt, an dem sie mehr wollen. Mehr Energie für ihre Raumschiffe, einen schöneren Sattel für das Pferd – die Spiele-Erfinder sind da äußerst einfallsreich. Wer diese "Premium-Vorteile" allerdings haben will, der muss dafür zahlen.

Papi zahlt

Und wie zahlt ein Kind, das ja selber keine Kreditkarte oder Konto besitzt? Durch das Versenden einer teuren Premium-SMS oder den Anruf bei einer teuren "0900"er-Telefonnummer. Und es soll auch schon Fälle gegeben haben, in denen die Kinder sich Papis Kreditkarte oder Omas Handy ausgeliehen haben, um die entsprechenden Gebühren zu begleichen. Man muss sich das 'mal klarmachen: Da gibt es tatsächlich Firmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, Kindern das Geld aus der Tasche zu ziehen, und die es dabei sogar billigend in Kauf nehmen, dass sich Kinder die nötigen Zahlungsmittel heimlich beschaffen. Zitat aus den AGBs von "Dark Orbit": "Soweit der Nutzer minderjährig ist, versichert er mit der Bestellung von Premium-Features ausdrücklich, dass ihm die für deren Bezahlung notwendigen Mittel zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen wurden." Um diese und die viele, viele Seiten umfassenden anderen Bestimmungen allerdings überhaupt lesen zu können, muss man während der Registrierung auf den Begriff "AGBs" klicken, hinter dem die Betreiber den Link gut versteckt haben.

Schau hin!

Die "Gratis"-Spiele im Internet sind auch bereits in den Focus der Verbraucherschützer geraten. Unter dem Titel "Perfide Abzocke mit kindlichem Spieltrieb" warnten die Verbraucherzentralen bereits vor einiger Zeit vor dieser Abzock-Masche. Wehren kann man sich gegen die Betreiber eigentlich nur, in dem man die Maschen kennt und mit seinen Kindern darüber spricht. "Schau hin" heißt eine Initiative des Bundesfamilienministeriums. Und "Schau hin!" ist auch das Motto, das man als Eltern unbedingt beherzigen muss, wenn sich die Kinder im Internet bewegen. Kinder vor dem Internet fähigen Computer zu parken, das führt eben nicht nur zu medialer Verwahrlosung. Durch Abzocker wie die Betreiber von scheinbaren Gratis-Spielen kann es auch zu finanziellen Desastern führen. Beispiel gefällig? Auf 2.500 Euro belief sich die Telefonrechnung einer geschädigten Familie, berichtet die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.