Die Handelsgruppe Otto aus Hamburg, weltweit größter Versandhändler, will gemeinsam mit dem Friedensnobelpreisträger Muhammed Yunus in Bangladesch eine Textilfabrik nach sozialen und ökologischen Kriterien bauen. Yunus gehört die "Bank der Armen" - Grameen, die in soziale und ökologische Projekte investiert. Der Profit der Kooperation soll einer Stiftung zugutekommen, mit der die Lebensumstände der Beschäftigten und die Region gefördert werden sollen, kündigte der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Otto in Hamburg an.
Es sei das weltweit erste Projekt dieser Art. Eine solche "Fabrik der Zukunft" sei ähnlich wie der Fall der Mauer vor 20 Jahren ein Hoffnungszeichen, dass die Mauern zwischen Arm und Reich eines Tages fallen könnten, sagte Yunus. Der Gewinn des Unternehmens werde nicht abgezogen, sondern diene der Stärkung des eigenen Landes.
Die Fabrik in der Hauptstadt Dhaka soll CO2-neutral gebaut werden und umweltfreundlich Textilien wie T-Shirts, Hemden und Blusen für den Export produzieren. Otto werde bis zu zwei Millionen Euro als zinsloses Darlehen investieren und etwa die Hälfte der Produktion vertreiben, sagte Michael Otto weiter. Der Kredit soll spätestens nach 15 Jahren getilgt sein.
Produktion startet in zwei Jahren
Die 500 bis 700 Beschäftigten, zumeist Frauen, werden demnach den ortsüblichen Monatslohn von 19 bis 65 Euro erhalten. Dazu seien eine Reihe von Sozialleistungen wie Kindergarten mit Vorschulbildung, gesundes Mittagessen und Fortbildungsangebote geplant. In zwei Jahren werde die Produktion beginnen.
Bangladesch gilt als eines der ärmsten Länder Welt, ist zudem auch noch vom Klimawandel besonders stark betroffen. Millionen Menschen im flachen Ganges-Delta werden unter einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels leiden.
Ziel des Projektes ist nach den Worten Ottos, dass die Menschen ihren Lebensunterhalt selbst verdienten, ohne dass das Unternehmen auf Dauer bezuschusst werden müsse. Statt einer Kapitalrendite werde hier eine "Sozialrendite" erwirtschaftet. Vorteil für die Otto Group sei, dass sie erstmals selbst Erfahrungen in der Textilproduktion sammeln und ein solches Geschäftsmodell gegebenenfalls auch erweitern könne.
Den Kunden werde eine Textilproduktion ohne Kinderarbeit und Umweltschäden zunehmend wichtiger. Ein Unternehmen werde nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn es Gewinne erwirtschafte und zugleich seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werde, so Otto weiter.
Yunus will Mikrokredite weiter ausbauen
Yunus gründete die Grameen-Bank 1976. Sie vergibt Kredite an die Ärmsten der Armen. Das Wort "Grameen" bedeutet ländlich oder dörflich. Das Geld wird ohne Sicherheiten vor allem Frauen gewährt. Zuvor hatten gerade Frauen auf dem Lande keinen Zugang zu Kapital. Bankkredite bekamen nur an Menschen, die bereits Geld hatten. "Um arme Menschen aus der Armut herauszubekommen, müssen wir einfach nur eine Umwelt schaffen, die sie aktiv werden lässt", sagt Yunus.
Yunus sieht in der Krise der Finanzmärkte zudem die Chance, das System der Mikrokredite weiter auszuweiten. Bei der Veranstaltungsreihe "Menschen in Europa" sagte der Wirtschaftsprofessor aus Bangladesch in Passau, Großbanken seien infolge der Finanzkrise zusammengebrochen, die Mikrokreditbanken nicht. Wenn der Mensch nur als Mittel zur Geldvermehrung diene, stimme das System nicht.
"Dagegen setzen wir Banking der unmöglichen Art. Wir leihen den Ärmsten der Armen Geld ohne irgendwelche Bürgschaften. Der Erfolg gibt uns Recht: 99,3 Prozent der Schuldner zahlen ihre Kredite zurück", sagte Yunus. Seine Grameen Bank versorge mittlerweile weltweit mehr als acht Millionen Menschen mit Mikrokrediten für Gewerbe und Bildung, für erneuerbare Energien und Telekommunikation. Auch in Deutschland sehe er Potenzial für das System. "Warum sollte ein Sozialhilfeempfänger keinen Kredit bekommen, wenn er eine gute Geschäftsidee hat?", fragte Yunus.