Psychiater warnt vor Nachahmern nach Enkes Suizid
Nach dem Suizid von Nationaltorwart Robert Enke warnt der Psychiater Andreas Spengler vor Nachahmungseffekten.

"Wir müssen depressiven und verzweifelten jungen Männern gerade jetzt nahe sein und suizidale Äußerungen ernst nehmen", sagte der Professor am Mittwoch im epd-Gespräch in Hannover. Er ist Vorsitzender des Psychiatrie-Ausschusses Niedersachsen und langjähriger ärztlicher Direktor des ehemaligen Landeskrankenhauses Wunstorf bei Hannover.

Der verstorbene Enke sei ein Sympathieträger gewesen. Sein Suizid habe eine hohe öffentliche Resonanz, sagte der Psychiater. Dies könne auf bestimmte Menschen suggestiv wirken. Fußballclubs sollten aufmerksam sein und Signale aus ihren Fanclubs nicht ignorieren: "Darüber zu sprechen, ist besser, als das Problem auszublenden."

Fans erleben Suizid als vermeintlichen Ausweg

Öffentliche Suizide seien besonders für diejenigen gefährlich, die sich stark mit dem Verstorbenen identifizierten, betonte Spengler. Besonders Menschen gleichen Alters und Geschlechts könnten auf Nachahmungsgedanken kommen.

Diese Reaktion sei schon nach Erscheinen des Goethe-Romans "Werther" im Jahr 1774 beobachtet worden. Den "Werther-Effekt" hätten Suizidforscher Ende der 1980er Jahre sogar statistisch nachgewiesen, sagte Spengler. Nach der Ausstrahlung der Fernsehsendung "Tod eines Schülers" seien damals zwei Mal im Abstand mehrerer Jahre Selbsttötungen junger Männer signifikant angestiegen.

Die psychologische Erklärung ist Spengler zufolge, dass depressive und verzweifelte Menschen den Suizid ihres Idols als Vorbild und vermeintlichen Ausweg aus eigenen Problemen erleben. Dies könne dann ein Auslöser sein, sich umzubringen. In psychiatrischen Kliniken sei das Problem seit Jahren bekannt und werde aktiv im Gespräch angegangen. Die Öffentlichkeit wisse dagegen wenig darüber.


Internet: www.suizidprophylaxe.de, www.telefonseelsorge.de

epd