Stammzellen-Patente: Urteil vertagt - Aussagen getroffen
Können embryonale Stammzellen patentiert werden? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung vertagt: Zunächst soll vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eine Vorabentscheidung über die Auslegung der europäischen Biopatentrichtlinie eingeholt werden. Die Grundsatzentscheidung ist damit aufgeschoben - aber auch ohne Urteil haben die Bundesrichter einige klare Aussagen getroffen.

Der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck deutete mehrfach an, dass sich das Patentrecht wohl nicht dafür eigne, bei bestimmten Forschungen ethische oder moralische Grenzen zu ziehen. "Wir haben nicht darüber zu entscheiden, ob man mit Stammzellen forschen darf", sagte Meier-Beck. Allenfalls wenn grundlegende Prinzipien der Rechtsordnung, beispielsweise die Menschenwürde verletzt seien, könne ein Patent verweigert werden. "Das lief nicht in unsere Richtung", kommentierte der Bioethik-Experte von Greenpeace, Christoph Then, das Ergebnis der ganztägigen Verhandlung (AZ: Xa ZR 58/07).

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Vor einem Urteil ist es dem BGH zufolge allerdings nötig, erst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten. Das liege daran, dass das deutsche Patentgesetz die Vorgaben der europäischen Biopatentrichtlinie zum Teil wörtlich übernommen habe, sagte Meier-Beck. Nun müsse erstmal der Begriff "menschliche Embryonen" eindeutig definiert werden. Es sei vor allem zu entscheiden, ob auch die aus einem bestimmten Entwicklungsstadium der befruchteten Eizelle gewonnene Stammzelle als Embryo anzusehen sei, obwohl sie als solche nicht mehr die Fähigkeit besitzen, sich zu einem menschlichen Individuum fortzuentwickeln. Außerdem werde es darauf ankommen, ob jede gewerbsmäßige Verwendung im Sinne des Patentgesetzes eine "Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" sei. Die Vorabentscheidung in Luxemburg kann erfahrungsgemäß ein Jahr lang dauern.

Vorinstanz: "Forschen ja, Patente nein"

Greenpeace hatte wegen ethischer Bedenken gegen ein 1999 genehmigtes Patent des bekannten Bonner Stammzellenforschers Oliver Brüstle geklagt. Und das Bundespatentgericht hatte der Organisation zum Teil Recht gegeben: Ein Patent, dem eine Zerstörung menschlicher Embryonen vorausgehe, verstoße gegen die "öffentliche Ordnung und die guten Sitten."

Brüstle hatte mit seinem Argument, dass doch nach dem Stammzellengesetz auch in Deutschland die Forschung mit embryonalen Stammzellen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sei, in der ersten Instanz keinen Erfolg. Denn das Bundespatentgericht hielt dagegen, dass dem Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens in der Verfassung besonderes Gewicht zukomme. Auf der anderen Seite der Waagschale falle der grundrechtliche Schutz der Forschungsfreiheit deutlicher mehr ins Gewicht als der Schutz des Eigentums, worunter auch Patente fallen. Kurz gesagt lautete die Entscheidung: "Forschen ja, Patente nein."

Aus Brüstles Sicht hatte das Bundespatentgericht damit eine grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers in Frage gestellt. Bundestag und Bundesrat hatten nach langen Debatten das Stammzellengesetz verabschiedet, dass die Forschung an solchen embryonalen Stammzellen erlaubt, die vor dem 1. Mai 2007 im Ausland gewonnen worden sind. "Was mit öffentlichen Mitteln gefördert wird und per Gesetz genehmigungsfähig ist, kann nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen", monierte Brüstle. Ohne Patente würden auch die Forschungsmöglichkeiten stark beschnitten. Denn dafür werde auch das Geld privater Unternehmen benötigt, die wiederum auf Rechtssicherheit angewiesen seien.

"Signal für die ethischen Grenzen im Patentrecht"

Greenpeace wollte "ein Signal für die ethischen Grenzen im Patentrecht" setzen. Diese könnten sich nun auch für Brüstles Patente aus der europäischen Biopatentrichtlinie ergeben. Doch die europäische Norm sei stellenweise nicht eindeutig, sagte Meier-Beck. Und da das deutsche Patentgesetz auf die Richtlinie zurückgehe und zum Teil wörtlich mit ihr übereinstimme, sei eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nötig. Erst danach kann der BGH entscheiden, welche Spielräume deutsche Wissenschaftler bei der Patentierung ihrer Forschungsergebnisse haben. Möglicherweise hat sie der Gesetzgeber bereits vorgegeben - mit seiner Entscheidung für die Stichtagsregelung im Stammzellengesetz.

dpa/epd