Beispiel Berlin: In rund 100 Arztpraxen sollte seit Montag geimpft werden - bei vielen gab es aber Fehlanzeige. Der Serumkurier blieb im Verkehr stecken, kam außerhalb der Öffnungszeiten zu den Praxen oder lieferte weniger als gebraucht. Die Kinderärzte der Hauptstadt wollen wenigstens chronisch kranke Kleine in von der Stadt gestellten Räumen umsonst impfen - die Behörden prüfen das Angebot noch.
Beispiel Frankfurt/Main: Von den Landesbehörden bekamen die Schulleiter den Ratschlag, die Lehrer sollten sich impfen lassen. Die Gesundheitsämter teilten postwendend mit, dafür fehle es an Kapazitäten. Beispiel Tübingen: Die meisten Praxen führen Wartelisten - Impfstofflieferungen blieben zunächst aus.
20 Millionen Dosen Pandemrix bis Jahresende
Am Mittwoch sagte nun Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) nach einem Treffen mit seinen Länderkollegen, bis Ende des Jahres sollten 20 Millionen Dosen des Impfstoffs Pandemrix ausgeliefert werden, davon knapp die Hälfte bis Ende November. Das habe der britische Hersteller Glaxosmithkline den zum sogenannten Impfgipfel versammelten Gesundheitsministern von Bund und Ländern zugesichert. Insgesamt haben die Bundesländer 50 Millionen Impfdosen bestellt, in Deutschland leben gut 80 Millionen Menschen. Das Pharmaunternehmen hatte Lieferschwierigkeiten mit Problemen bei der Vermehrung des Saatvirus erklärt.
"Diese Zahlen machen schon deutlich, dass nicht jeder geimpft werden kann", räumte Rösler zugleich ein. "Wichtig ist, dass jetzt nicht jeder sofort zu den Impfstellen rennt." Normalbürger, die keiner Risikogruppe angehören, sollten sich erst nach den Vorrang-Gruppen impfen lassen, zeitlich "nicht vor Ende November", so Rösler. Maßgeblich seien die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Es bleibe dabei, dass zuerst das medizinische Personal, chronisch Kranke sowie Angehörige von Polizei und Feuerwehr geimpft würden.
Im Dezember sollten zusätzlich 150.000 Impfdosen ohne Wirkverstärker (Adjuvans) für Schwangere zur Verfügung stehen, sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD). Insgesamt dürfe keine Hysterie aufkommen, mahnte Taubert. Im Januar und Februar solle beim Impfstoff nochmals nachgelegt werden.
Bayern: Rasante Zunahme der Fälle
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts haben sich inzwischen über 50.000 Menschen in Deutschland mit dem neuen Grippevirus angesteckt. Vor knapp einer Woche waren es noch 40.270. Zwölf Menschen sind an dem Virus gestorben. Besonders in Bayern steigt die Zahl der Infizierten rasant an - allein von Dienstag auf Mittwoch wurden innerhalb von 24 Stunden 1.530 neue Fälle bestätigt. Kein Wunder also, dass die zunächst zurückhaltende Einstellung der Patienten sich ins Gegenteil verändert hat, wie der Allgemeinmediziner Bernhard Lutz in Poing bei München sagt. "Seit einer Woche hat ein richtiger Ansturm auf die Impfung eingesetzt", berichtet der Mediziner. "Die Hälfte der Patienten verlangt sofort nach der Impfung, die andere fragt besorgt nach."
In vielen Arztpraxen läuft die Impfung auch problemlos. "Das Ganze war in vier, fünf Minuten erledigt", berichtet ein Mann, der sich in Berlin morgens bei seinem Hausarzt impfen ließ. Schließlich hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium vor Wochen auch stets: "Jeder, der sich impfen lassen will, kann auch geimpft werden." Risikopatienten zuerst - dann die anderen. Heute sind manche Ärzte aber vergrätzt: "Ich kann nur hoffen, dass hier niemals die Pest ausbricht", schimpft der Vorsitzende der Berliner Frauenärzte, Albrecht Scheffler. Die Bundesärztekammer beruhigt: So schlimm verlaufe die neue Grippe zum Glück meist nicht, sagt Kammer-Vize Frank Ulrich Montgomery. "Deswegen kann man jetzt alles mal üben."
Impfstoff zu spät geordert?
Haben die Behörden den Impfstoff im Sommer zu spät geordert? "Wir waren spät dran", sagt der Hallenser Mikrobiologe Alexander Kekulé in der ARD. Die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) weist dies prompt zurück.
Angesichts der Schwierigkeiten fragen sich manche, wie sie mit den Aufforderungen aus der Ärzte umgehen sollen. So sollen laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte auch Kinder unter drei Jahren gegen die neue Grippe geimpft werden. Wenn Eltern von Kindern ohne chronische Leiden beispielsweise in der Hauptstadt aber bei Gesundheitsämtern oder Ärzten fragen, handeln sie sich reihenweise Absagen ein.
Völlig unklar ist zunächst auch, ob der gesonderte Impfstoff für Schwangere bald kommt. Möglichst ohne die strittigen Wirkungsverstärker und nur mit Virenteilen soll dieses Serum ausgestattet sein. "Die Verträge sind noch nicht abgeschlossen", heißt es dazu im Rösler-Ressort. Das Robert Koch-Institut aber will Verunsicherung vermeiden: Bis der gesonderte H1N1-Impfstoff zur Verfügung stehe, könne auch eine Impfung mit dem bereits verfügbaren Pandemrix auch bei Schwangeren sinnvoll sein. Voraussetzung: eine eingehende Besprechung mit dem Arzt.