Bestürzung über Suizid von Nationaltorwart Enke
Fußball-Deutschland steht unter Schock: Nationaltorwart Robert Enke ist tot. Das bestätigten der Präsident des Bundesligisten Hannover 96, Martin Kind, und die Polizei am Dienstagabend. Enke wurde 32 Jahre alt.

Sein Berater Jörg Neblung bestätigte Aussagen der Polizei, wonach erste Erkenntnisse auf einen Selbstmord hindeuteten, am Dienstagabend. "Es war Selbstmord", sagte Neblung. "Über weitere Hintergründe möchte ich heute nicht sprechen, ich bitte um Verständnis." Die Polizei hatte zuvor erklärt, dass vieles auf einen Suizid an einem Bahnübergang in der Nähe von Hannover hindeute. Es gab polizeiliche Untersuchungen an einem Bahnübergang in Neustadt am Rübenberge, in der Nähe von Enkes Wohnort.

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, wird um 18 Uhr in Hannovers Marktkirche eine Trauerandacht für Enke halten. Im Anschluss an die Andacht sei für 19 Uhr ein Trauermarsch zum Stadion von Hannover 96 geplant, sagte der Fanbeauftragte des Vereins, Frank Watermann. Dazu würden mehrere tausend Teilnehmer erwartet. Am Mittwochvormittag versammelten sich mehrere hundert Fans vor dem Stadion.

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Schon kurz nach der Todesnachricht am Dienstagabend versammelten sich Fans vor der AWD-Arena in Hannover, zündeten Kerzen an und legten Blumen nieder. Mitspieler wie Nationalspieler Mike Hanke waren zum Stadion gekommen. "Das zeigt, dass Enke eine Identifikationsfigur war", sagte der ehrenamtliche Sportbeauftragte der EKD und Aufsichtsratsvorsitzende von Hannover 96, Valentin Schmidt. "Er war nicht nur ein guter Sportler, sondern auch als Mensch ein Vorbild." Enke sei ein untadeliger und fairer Sportsmann gewesen. Er habe sich für andere Menschen und für soziale Ziele eingesetzt. "Das lässt alle anderen Dinge im Fußball völlig belanglos werden", sagte Schmidt.

"Er war labil"

Wie Schmidt reagierte auch Hannover 96-Präsident Martin Kind mit Bestürzung. "Das ist ganz furchtbar", sagte er. "Man rechnet mit vielem, aber nicht mit so etwas", sagte Kind. "Ich weiß nicht, warum es und wie passiert ist." Der 96-Chef ist sich aber sicher, "dass es nichts mit Fußball zu tun hat".

Enke hatte wegen einer Erkrankung, die als Bakterien-Infektion des Darmes angegeben wurde, vier Länderspiele verpasst. Er war auch nicht für die beiden Länderspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste am 14. und 18. November eingeladen worden. Löw hatte dem Hannoveraner aber deutlich signalisiert, dass er weiter ein Favorit auf die Nummer eins bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika sei. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erfuhr erst unmittelbar nach der Rückkehr vom ersten Training in Bonn von der Katastrophe.

"Er war labil", berichtete Kind. Das sei in der Öffentlichkeit wohl nicht aufgefallen. "Er hat das überlagert", erklärte der 96- Clubchef. Der aus Jena in Thüringen stammende Fußballprofi und seine Frau hatten vor drei Jahren ihre Tochter Lara im Alter von zwei Jahren verloren, die an einem angeborenen Herzfehler litt und im Krankenhaus starb.

Ermittlungen am Ort des Todes

Nach Enkes Tod hat die Polizei bei einer Pressekonferenz in einer Bahnhofsgaststätte in Eilvese erste Informationen zum Unfall- Geschehen gegeben. Demnach habe Enke sein Auto am Dienstagabend etwa zehn Meter von den Gleisen entfernt abgestellt, berichtete der Sprecher der Polizeidirektion Hannover, Stefan Wittke. Der 32-jährige Enke habe sein Portemonnaie auf dem Beifahrersitz des nicht verschlossenen Wagens liegenlassen. Anschließend muss Enke mehrere 100 Meter an den Gleisen entlang gegangen sein, bevor er von dem aus Bremen in Richtung Hannover fahrenden Regionalzug RE 4427 erfasst wurde.

In einer ersten Befragung gab der Zugführer zu Protokoll, dass er eine Person auf den Gleisen habe stehen sehen. Er und ein weiterer im Führerhaus anwesender Lokführer hätten sofort eine Notbremsung eingeleitet, berichtete Wittke über das Unglück. An der Unglücksstelle fahre der Zug ungebremst mit hohem Tempo. Weitere Augenzeugen gebe es für das Unglück nicht. Ein Selbstmord wurden von Wittke nicht offiziell bestätigt, allerdings deuteten alle Anzeichen daraufhin. Es sei kein Ort, an dem man normalerweise die Gleise überquere.

Mittlerweile hat die Polizei bestätigt, dass es einen Abschiedsbrief gibt. Die Polizei geht daher davon aus, die Ermittlungen schnell abschließen zu können. Der Kriminaldauerdienst kümmerte sich am Dienstagabend um Enkes Ehefrau, die nach dem Unglück zum Unfallort gekommen war. Hannover 96 Manager Jörg Schmadtke war bei der Pressekonferenz anwesend und drückte seine tiefe Trauer aus: "Er hinterlässt eine große Lücke, nicht nur in Hannover, sondern auch in Fußball-Deutschland. Wir stehen alle unter Schock und sind noch nicht in der Lage, die Dinge zu kommentieren."

In der Nähe des kleinen Ortes Eilvese war die Unfallstelle am Dienstagabend weiträumig abgesperrt. Flutlichtwagen der Feuerwehr tauchten die Unglücksstelle in helles Licht. Mehrere Einsatzwagen von Polizei und Rettungskräften waren im Einsatz. In Eilvese zündeten viele Menschen Kerzen an und legten Schals und Trikots von Enkes Arbeitgeber Hannover 96 nieder.

"Ich bete für seine Frau und ihr kleines Adoptivkind"

Nach der EM und dem Rücktritt von Jens Lehmann war Enke bald Stammtorhüter der DFB-Auswahl geworden. Sein erstes Länderspiel bestritt Enke vor zwei Jahren beim 0:1 gegen Dänemark. Bereits beim Confed Cup 1999 hatte er zum DFB-Kader gehört, blieb aber ohne Einsatz. Insgesamt hütete er in sechs von elf Länderspielen in der Saison 2008/09 das Tor. Löw hatte sich allerdings nicht ausdrücklich für Enke als neue Nummer Eins ausgesprochen, so dass sich dieser auch weiterhin dem Konkurrenzkampf gegenüber Rene Adler, Tim Wiese und Manuel Neuer stellen sollte.

Die hannoversche Landesbischöfin und neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, äußerte sich "zutiefst erschüttert" über Enkes Tod. "Er war ein solcher Sympathieträger! Uns alle hat gerührt, wie er mit seiner kleinen kranken Tochter und ihrem Tod umgegangen ist. Ich bete für seine Frau und ihr kleines Adoptivkind. Möge Gott Ihnen Kraft geben in dieser so schweren Zeit." Man werde Enke in Hannover vermissen. Käßmann würdigte sein sportliches Engagement, aber auch seinen intensiven Einsatz für Tiere. Damit habe er "viele Herzen erreicht", so Käßmann.

Nationalmannschaft fassungslos

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) zeigte sich tief betroffen vom Tod Robert Enkes. "Deutschland verliert einen Ausnahmesportler und einen sensiblen Menschen, der für viele ein Vorbild war. Wir trauern um ihn und unser Mitgefühl ist bei seiner Frau, seiner Familie, seinen Angehörigen und vielen Freunden", sagte Wulff am Dienstagabend nach einer Mitteilung der Staatskanzlei.

Die Nationalmannschaft nahm die Nachricht von Enkes Tod mit "tiefer Fassungslosigkeit"  zur Kenntnis. Wie der Deutsche Fußballbund (DFB) am Abend auf seiner Online-Seite berichtete, informierten Bundestrainer Joachim Löw und Manager Oliver Bierhoff die Spieler und Betreuer, die sich zur Vorbereitung auf das Länderspiel am kommenden Samstag gegen Chile in Bonn befinden. Oliver Bierhoff sagte laut dfb.de: "Wir sind alle geschockt, uns fehlen die Worte."

Wie die sportliche Leitung der Nationalmannschaft im Hinblick auf die Vorbereitung auf das bevorstehende Länderspiel am Samstag in Köln gegen Chile vorgehen wird, blieb am Dienstagabend ungewiss. "Wir wissen noch nicht, was am Mittwoch ist", berichtete DFB- Mediendirektor Harald Stenger. Für Mittwochmorgen war ursprünglich ein Training im Sportpark Nord in Bonn angesetzt, bei dem auch Kamerateams, Reporter und Fotografen zumindest am Anfang zugelassen sein sollten. Für Montag mittag war in Bonn eine Pressekonferenz anberaumt. Die Teilnehmer waren noch nicht bekanntgegeben worden. Ob sich Bundestrainer Löw oder Teammanager Bierhoff dort äußern werden, ließ der DFB offen.

Enkes früherer Verein FC Barcelona widmete seinen Sieg im spanischen Fußballpokal seinem ehemaligen Spieler. "Der Torwart war ein Teil dieses Vereins gewesen", sagte Barça- Trainer Josep Guardiola nach dem 5:0-Erfolg der Katalanen über Cultural Leonesa im Pokalrückspiel. Enke hatte in der Saison 2002/2003 für Barça gespielt. Der spanische Meister und Champions- League-Sieger legte vor der Partie im Camp-Nou-Stadion eine Schweigeminute für Enke ein.

dpa/epd/evangelisch.de