Während Geringverdiener Ende der 90er Jahre noch 64 Prozent des Einkommens eines Arbeitnehmers mit mittlerem Einkommen erzielten, erreichten sie 2007 nur noch 53 Prozent, wie eine am Montag veröffentlichte Studie der Gütersloher Bertelsmann Stiftung und des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn ergab. Im internationalen Vergleich sei dies der stärkste Rückgang bei insgesamt 20 untersuchten OECD-Ländern.
Die Lohnungleichheit in der Bundesrepublik habe mittlerweile das Niveau Großbritanniens und anderer Länder erreicht, die bei der Beschäftigungspolitik weniger auf den sozialen Ausgleich achteten, hieß es. Während in Polen und Südkorea die Löhne ebenfalls spürbar ungleicher wurden, hat sich den Angaben nach in den meisten übrigen Ländern die Einkommensschere nicht weiter geöffnet. Das gelte auch für die USA, wo die Spreizung allerdings traditionell besonders hoch sei und Niedriglöhne weniger als die Hälfte mittlerer Einkommen erreichten.
Im oberen Bereich der Lohnskala sei in Deutschland dagegen im Vergleich von zehn Jahren die Spreizung deutlich geringer geworden. Die Bezahlung von Beziehern hoher Löhne übersteige mittlere Einkommen um etwa drei Viertel. In diesem Bereich liege die Bundesrepublik auf einem Niveau mit den Niederlanden, Dänemark oder Schweden, heißt es in der Studie "Arbeitsmarkt und Beschäftigung 2000-2009: Beschäftigungserfolge bei steigender Differenzierung".
Der uneinheitlichen Lohnentwicklung stehe eine wachsende Beschäftigung gegenüber. So sei der Anteil der Beschäftigten im erwerbsfähigen Alter von 2001 bis 2008 um 4,4 Prozentpunkte auf 70,2 Prozent gestiegen. "Die Arbeitsmarktreformen haben zu diesem Beschäftigungserfolg beigetragen, allerdings um den Preis zunehmender Lohnungleichheit", sagte Stiftungsexperte Eric Thode. Ein Großteil der neuen Arbeitsplätze sei in Bereichen wie Zeitarbeit, geringfügiger oder befristeter Beschäftigung insbesondere im Dienstleistungssektor entstanden. Vor allem Jugendliche, Ältere oder Geringqualifizierte seien davon betroffen.
Durch die Wirtschaftskrise werde sich die ohnehin stark ausgeprägte Kluft zwischen gut abgesicherten Erwerbstätigen und arbeitslosen oder nur befristet Geringbeschäftigten weiter verschärfen, erklärte Thode. Das zeige sich deutlich am Rückgang der Zeitarbeit, wo die Beschäftigung zwischen Juli 2008 und Juli 2009 weit stärker als in allen anderen Branchen um 25 Prozent einbrach.