Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann hat sich im Fall des von einem Bundeswehr-Oberst angeordneten Luftangriffs auf einen Tanklastzug in Afghanistan für eine rasche Aufklärung ausgesprochen.
Der Vorgang müsse selbstverständlich untersucht werden, sagte Dutzmann am Freitag in Detmold dem epd. Das sehe auch der Oberst so. "Mit einer Entscheidung über einen Einzelfall lässt sich das Gesamtproblem der Situation in Afghanistan jedoch nicht klären", betonte Dutzmann.
Oberst Georg Klein hatte am 4. September einen Luftangriff durch US-Kampfjets auf zwei von Rebellen gekaperte Tanklastwagen angeordnet, bei dem Taliban-Kämpfer und mutmaßliche Zivilisten getötet wurden. Insgesamt kamen dabei bis zu 142 Menschen ums Leben. Umstritten ist, ob der Oberst die für einen solchen Angriff bestehenden NATO-Regeln eingehalten hat.
Neue Einschätzung: Völkerstrafrecht maßgeblich
Am Freitag entschied die Generalstaatsanwaltschaft Dresden, das Ermittlungsverfahren an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe abzugeben. Erstmalig muss die oberste Anklagebehörde damit nach dem Völkerstrafrecht einen Fall prüfen, in dem es um die Verantwortung deutscher Soldaten für die Tötung von Zivilisten in Afghanistan geht.
Als erste Anklagebehörde in Deutschland sind die Dresdner Ermittler zu dem Schluss gekommen, dass sich in Afghanistan um einen "bewaffneten Konflikt" handelt, der nicht nach normalen Strafrecht, sondern völkerstrafrechtlich zu beurteilen ist. Würde dem die Bundesanwaltschaft zustimmen, wäre dies eine neue Qualität in der Einschätzung der Situation in Afghanistan.
Die Bundesanwaltschaft muss sich dem Schritt der Dresdner Generalstaatsanwaltschaft aber nicht beugen und reagierte auch zunächst zurückhaltend. Bisher habe sich kein Anhaltspunkt für eine Übernahme der Ermittlungen ergeben, erklärte die Karlsruher Behörde: "Nach vorläufiger Bewertung der Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch." Allerdings werde die Auswertung der umfangreichen Unterlagen einige Zeit in Anspruch nehmen.
"In kriegerischen Konflikten passieren Fehler"
Angesichts der bewaffneten Auseinandersetzungen in Afghanistan rechnet Militärbischof Dutzmann mit weiteren ähnlichen Vorfällen. Es herrsche Ausnahmezustand. Kriegerische Auseinandersetzungen seien immer unübersichtlich, dabei passierten auch Fehler, erklärte der Theologe. Das sei jedoch keine Entschuldigung für ein Fehlverhalten.
Bei einem Besuch der Bundeswehr in Kundus habe er den Oberst als einen "äußerst besonnenen und verantwortungsbewussten Offizier" erlebt, sagte Dutzmann. Eine Untersuchung sei notwendig, um entweder schuldhaftes Verhalten auszuschließen oder Fehler zu benennen.
Der Militärbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) begrüßte, dass Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan gesprochen hat. Unabhängig von der Kriegsdefinition des Völkerrechts sei das, was die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan erlebten, Krieg, betonte Dutzmann. Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung (CDU) hatte es immer peinlich vermieden, den Einsatz in Afghanistan als "Krieg" zu bezeichnen.