"Jugendliche trauern anders als Erwachsene", sagt Bettina Rülke, Trauerbegleiterin beim Diakonischen Werk Heidelberg. Oft zeigen sie ihren Schmerz nicht so konstant wie ältere Menschen. Pubertierende schwanken in der Verarbeitung von Trauer "zwischen zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend", weiß die Diplom-Sozialpädagogin und Kunsttherapeutin, die seit vielen Jahren trauernde Kinder begleitet.
Böse auf den Papa
Max (9) hat im vergangenen Jahr seinen Vater durch Suizid verloren. Erst wollte er lange Zeit nicht darüber reden, dann äußerte sich seine Trauer in Wut- und Weinanfällen. Lasse (10) ist manchmal sogar richtig böse auf seinen an Krebs gestorbenen Vater, weil der Papa besser auf seine Gesundheit hätte achten können, meint er.
"Jugendliche schlüpfen in die Trauer hinein und aus der Trauer wieder heraus", sagt Rülke. Für die Eltern sind diese unsteten Gefühlsschwankungen zwischen tiefer Niedergeschlagenheit, verzweifelter Wut und unverhohlener Lebensfreude allerdings kaum nachzuvollziehen, manchmal fast schon unerträglich. Aber: "Jeder hat seine Art des Trauerns", erklärt Bettina Rülke.
So manche Familie gerät daher in der Extremsituation aus den Fugen. Stirbt ein Geschwisterkind, ist auch ein Rückfall in alte Verhaltensmuster möglich: Die mit ihrem Schmerz kämpfenden Eltern können zusätzlich die Situation belasten. Mit übertriebenen Schutzbedürfnissen erschweren sie aber den "inneren Entwicklungsauftrag" der ihnen gebliebenen Sprösslinge, sich langsam von zu Hause abzunabeln.
Ausbildung zur Trauerbegleiterin
Viele Jahre lang hat Rülke bei den Heidelberger "Waldpiraten" mitgearbeitet, einem Camp für krebskranke Kinder zwischen acht und 14 Jahren. Dabei kam sie erstmals mit trauernden Geschwisterkindern zusammen und merkte, "dass ich mit Trauer relativ gut umgehen kann", erzählt sie. Schließlich entschied sie sich, eine Ausbildung als Kindertrauerbegleiterin zu absolvieren in Kaarst bei Düsseldorf bei den "Merlinos", die sich speziell mit Kindertrauer beschäftigen.
"Kinder trauern je nach Alter unterschiedlich und haben auch andere Todesvorstellungen", sagt Rüdiger Barth vom Kinderhospiz Balthasar im nordrheinwestfälischen Olpe. Dieses bietet ebenfalls Ausbildungen zum Kindertrauerbegleiter an. Es sei wichtig, den Kindern das Angebot zu machen, ihrer Trauer Ausdruck zu geben. Deshalb beschäftigen sich die Teilnehmer auch mit ihrer eigenen Trauer und Verlusten. Neben theoretischen Einheiten lernen sie an mehreren Wochenenden durch Erfahrungsberichte und Übungen Trauerformen von Kindern kennen.
Raum für verschiedene Wege der Trauer
Wenn Jugendliche trauern, sind Erwachsene oft verstört. So hat ein 15-jähriges Mädchen ihren kleinen Bruder bei einem Unfall verloren. Abends zieht sie durch Diskotheken, geht auf Partys. Ein Zwölfjähriger, dessen Mutter an Brustkrebs erkrankte und starb, durchbrach unentwegt die Stille im Trauerhaus, indem er immer wieder Musik auf volle Lautstärke dreht. Andererseits gibt es Kinder, die sich völlig abkapseln und niemanden mehr an sich heran lassen.
Rülke will Jugendlichen vermitteln, dass es ganz verschiedene Arten gibt zu trauern. "Alles ist erlaubt", sagt die 40-Jährige. Die unterschiedlichen Empfindungen seien ganz normal. Unterschiedliche Arten zu trauern gebe es auch zwischen Jungen und Mädchen. Letzteren falle es leichter über den Tod etwa in einer Gruppe zu sprechen. "Jungeb dagegen leben ihre Trauer meistens auch körperlich aus" Ganz plötzlich, etwa beim gemeinsamen Klettern, fangen sie an, über ihre Gefühle und den Verlust zu reden.
Eine Selbsthilfegruppe für trauernde Jugendliche bietet die Hospizgruppe Freiburg unter www.alles-ist-anders.de seit sechs Jahren im Internet. In diesem Chatroom finden Jugendliche eine erste Anlaufstelle und gleichaltrige Ansprechpartner, die Ähnliches erlebt haben. Im Chat sind immer auch Mitarbeiter der von Diakonie und Caritas getragenen Freiburger Hospizgruppe dabei.
Internet: www.trauerland.org, www.merlinos.de, www.alles-ist-anders.de, www.verwitwet.de oder www.verwaiste-eltern.de
(Alle im Text genannten Kindernamen wurden geändert.)