Seit drei Jahren läuft die Initiative zur demokratischen Erziehung im Kindergarten, die mit einer Fachtagung am Freitag und Samstag in Dresden abgeschlossen wird. "Im Zentrum des Projekts steht die Frage nach der Mitbestimmung", sagt Jens Hoffsommer von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Geklärt werden dabei alltägliche Dinge: Müssen Kinder schlafen? Muss ich alles essen? Darf ich mir mein Essen selbst nehmen? Konflikte werden zunächst mit den Erziehern, danach mit den Kindern und deren Eltern diskutiert.
Zur Selbstständigkeit erziehen
Die Kinder wüssten sehr genau, was sie wollen, sagt Schmidt. Mit ihrem Team versuche sie, an den Bedürfnissen der Mädchen und Jungen anzuknüpfen, ihnen Halt und Sicherheit zu geben, vor allem aber, sie zur Selbstständigkeit zu erziehen. Nach dem Vorbild des Reformpädagogen Célestin Freinet (1896-1966) sollen Kinder dazu erzogen werden, selbst über ihr Spiel und ihre Beschäftigung zu entscheiden. Sogar die mittägliche Einschlafmusik wurde ausdiskutiert. Jetzt hören die Knirpse Mozarts "Zauberflöte".
Der sächsische Kultusminister Roland Wöller (CDU) begrüßt die Initiative der Stiftung. "Es ist gut, so früh wie möglich Kindern demokratische Grundwerte zu vermitteln und diese in den Alltag zu integrieren", sagt er. Voraussetzung sei jedoch, dass die Erzieher selbst demokratisch agieren.
Nicht überall stieß das Projekt sofort auf Zustimmung: So standen die Mitarbeiter der Integrativen Kindertagesstätte West in Lauta im Landkreis Bautzen der Demokratie-Erziehung erst skeptisch gegenüber. "Es schien uns als Belastung, über Regeln zu diskutieren", erinnert sich Leiterin Felicitas Borch.
Nach fast zweijähriger Erfahrung mit "Demokratie von Anfang an" zieht Borch jedoch ein positives Resümee: "Wir gehen viel gelassener mit den Kindern um. Sonst haben wir uns immer eingemischt, jetzt halten wir Konflikte auch mal aus." Auch im Tagesplan und bei Vorhaben hätten die Kinder jetzt ein größeres Mitspracherecht. Das brauche starke Erziehernerven.
Fixpunkte schaffen
Itta Schmidt sieht das ähnlich. Sie leite "keine Methodik-Einrichtung", sagt sie. Es fließe wenig Vorgegebenes in den Tagesablauf ein, auch kein "Schablonenbasteln". Aber es würden äußere Strukturen geschaffen. Und Fixpunkte gibt es neben den Mahlzeiten und der Mittagsruhe auch: Einmal in der Woche ist beispielsweise Waldtag.
Niklas und Paul finden das Freinet-Kinderhaus gut. Heute wollen sie die Eisenbahn aufbauen. Danach tollen sie vielleicht noch ein bisschen im Garten herum. Dazu müssen sie ihr Foto auf der Tafel verschieben. Jedes der über 50 Kinder zeigt auf Magnettafeln selbst an, wo es sich gerade aufhält - im Haus oder im Garten.
Den ganz Kleinen wird dabei noch geholfen. Die Botschaft ist jedoch bei allen Tätigkeiten: Ich trau dir das zu! Für jeden Betreuungsort ist eine Erzieherin zuständig. "Präsent sind wir bei den Kindern, die uns am meisten brauchen", sagt Itta Schmidt. Feste Gruppen gibt es nicht. Die Jüngsten haben zwar ihren bevorzugten Bereich, aber die Übergänge seien fließend.
Schon im Kindergarten müsse eine Kultur des Miteinanders gefunden werden, in der Kinder nicht belehrt, sondern beteiligt werden, betont Jens Hoffsommer von der Kinder- und Jugendstiftung. Ziel sei dabei auch, Eltern von ihrem Mitspracherecht zu überzeugen. Aber genau das sei für viele Erzieher noch immer ein "exotisches" Thema.