Korruption wird "Gefahr für Demokratie" in Spanien
Bürgermeister Bartomeu Muñoz erklärte seinen Rücktritt nicht vor dem Stadtrat, sondern in einer Gefängniszelle. Das Stadtoberhaupt von Santa Coloma de Gramenet (bei Barcelona) steht im Verdacht, mit einem Netzwerk von Baulöwen und Politikern krumme Geschäfte abgewickelt und 44 Millionen Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Wie Schwerverbrecher wurden der Bürgermeister und seine Komplizen in Handschellen dem Ermittlungsrichter vorgeführt.
06.11.2009
Von Hubert Kahl

In Spanien gehört es in letzter Zeit fast schon zum Alltag, dass Bürgermeister festgenommen und Amtsstuben von der Polizei durchsucht werden. Im ganzen Land stehen mehr als 800 Politiker, Beamte und Unternehmer im Verdacht der Korruption. In Städten und Gemeinden von der Atlantikküste im Norden bis zur Costa del Sol im Süden wird gegen Bürgermeister oder Ratsmitglieder ermittelt. Der jüngste Fall von Santa Coloma löste in Spanien besondere Empörung aus, denn die Verdächtigen sollen ausgerechnet die Kassen einer Gemeinde geplündert haben, deren Bewohner nicht auf Rosen gebettet sind. Der Ort mit 120.000 Einwohnern gehört zum "roten Gürtel" der Arbeitervorstädte von Barcelona. Die Arbeitslosenrate liegt bei über 15 Prozent.

Korruption nun auch bei den Sozialisten

"Die Korruption ist zu einer Gefahr für die Demokratie geworden", warnte die Zeitung "El País". "Sie zerstört das Vertrauen der Bürger in die staatlichen Institutionen." Das Konkurrenzblatt "El Mundo" empörte sich: "Spanien geht in der Korruption unter."

Bis vor kurzem hatte es den Anschein, als wären Schmiergelder und krumme Baugeschäfte eine Domäne der konservativen Volkspartei (PP). In den PP-Hochburgen Madrid und Valencia soll ein Firmennetz sich mit Geschenken an PP-Politikern jahrelang lukrative Aufträge gesichert haben. Aber die Korruption beschränkt sich nicht auf die PP. Der Ex-Bürgermeister von Santa Coloma gehört den Sozialisten an, unter seinen Komplizen sind auch katalanische Nationalisten.

Nach einer Aufstellung von "El Mundo" flossen in den vergangenen zehn Jahren mehr als 4,2 Milliarden Euro an Schmiergeldern. Die Häufung der Korruptionsfälle in jüngster Zeit deutet darauf hin, dass die Bestechung eine ständige Begleiterscheinung des Baubooms der letzten Jahre war. Die Gemeinden entscheiden über Baugenehmigungen, und da hat so mancher Bauherr mit der Zahlung von "Kommissionen", mit Parteispenden, Autos, Uhren, Luxusanzügen oder sonstigen Geschenken nachgeholfen, um die Bewilligung seiner Vorhaben zu sichern.

Regierung will Finanzen jetzt besser kontrollieren

Als das Epizentrum der Korruption hatte bis vor wenigen Jahren der Nobelbadeort Marbella gegolten. In der südspanischen Stadt an der Costa del Sol war 2006 die gesamte Stadtregierung inhaftiert worden. Die Bürgermeisterin und ihre Gehilfen hatten die Korruption zum Prinzip erhoben - nach der Devise "keine Baugenehmigung ohne Schmiergeld". Die spanische Regierung musste erstmals in der neueren Geschichte des Landes einen kompletten Stadtrat absetzen. Auf Mallorca steht der frühere spanische Umweltminister Jaume Matas im Verdacht, sich in seiner Amtszeit als Regierungschef der Balearen (1996-1999 und 2003-2007) zusammen mit seinen Kabinettsmitgliedern bereichert zu haben.

Aufgrund der Welle von Korruptionsfällen will die Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero die Gesetze verschärfen. Sie will nicht nur härte Strafen einführen, sondern auch die Finanzen der Parteien und der Kommunen einer besseren Kontrolle unterziehen.

dpa