"Wir wollen uns auf Produkte konzentrieren, die die wirtschaftlichen Vorteile und die umweltfreundlichen Eigenschaften von Sisal nutzen", sagt Salum Shamte, Generaldirektor der Gesellschaft Katani Limited, des größten tansanischen Sisalproduzenten. Isolier- und feuerfeste Baumaterialien gehören ebenso dazu wie hochwertige Spezialpapiere und Holz- oder Glasfiberersatz.
Naturfasern pflanzlicher und tierischer Herkunft liefern seit Menschengedenken den Rohstoff für feine und grobe Gewebe. Für Stoffe, Teppiche, Körbe, Kordeln und Seile. Aber Kunstfasern wie Nylon, Acryl, Polyester und Polymere aus der Petrochemie machen den nachwachsenden Rohstoffen Konkurrenz.
2009 ist Jahr der Naturfaser
Die Weltwirtschaftskrise hat das Ihrige zum Nachfragerückgang beigetragen, konstatiert die Welternährungsorganisation (FAO). Sie hat 2009 zum Internationalen Jahr der Naturfaser erklärt, um auf die wichtige Rolle aufmerksam zu machen, die Naturfasern für die Überwindung von Hunger und Armut spielen.
Millionen von Kleinbauern und Hirten sichern ihr Überleben mit dem Gewinnen und Verarbeiten von Naturfasern: Ob mit Jute in Bangladesch und Westbengalen oder mit Baumwolle in Asien und Westafrika, ob mit der Kaschmirziege in der Mongolei oder mit den schwarzen Schafen des Deccan-Plateaus in Indien.
In Tansania kauft Katani im Norden von Daressalam Sisalblätter bei mehreren Kooperativen, denen insgesamt 2.500 Kleinbauern angehören. "Sisal ist für viele eine Art Versicherung", sagt Shamte. Die Company kauft nicht nur die Blätter der Agave, die vor über 100 Jahren von einem deutschen Agronomen aus ihrer natürlichen Heimat Mexiko ins damalige Deutsch-Ostafrika eingeschmuggelt wurde. Sie bietet den Bauern auch technische und finanzielle Hilfe an und fördert den Mischanbau mit Nahrungspflanzen wie Mais und Bohnen. Das Monatseinkommen der Sisalbauern sei von 30 auf 400 US-Dollar angestiegen, sagt Shamte.
Seidenraupen und Kokosnüsse liefern Stoffe
Sri Lanka ist neben Indien in der Kokosindustrie führend. In 500 Fabriken und Werkstätten wird die Kokosfaser aus der Nusshülle gelöst. Erst nach monatelangem Lagern im Wasser kann sie weiterverarbeitet werden. Jüngere geschmeidigere Fasern lassen sich zu Matten, Teppichen und Hüten verweben. Ältere und härtere dienen als Füllmaterial für Matratzen und Polster oder zur Wärmedämmung. 3.000 Familien verdienen sich in Sri Lanka ihren Lebensunterhalt mit dem Spinnen von Kokosfaden.
In Indien ist die Seidenraupen-Zucht für 700.000 Familien auf dem Land die wichtigste Einnahmequelle. Mit den Blättern des Maulbeerbaums gefüttert, verpuppen sich die Larven und scheiden ein Sekret aus, das sich an der Luft zum "Seidenfaden" erhärtet. Seide, der Stoff der jahrhundertelang Kaisern und Königen vorbehalten war, wird in 80 Ländern der Welt erzeugt und verarbeitet. Führend sind China und Indien.
Nun machen sich auch Viehhalter im Matabeleland in Simbabwe kundig in der Produktion von Seide. Der "Seidenwurm" in ihren Breiten war für sie bislang ein Problem. Denn der Kokon ähnelt einer Akazienhülse. Wenn Rinder und Schafe sie fressen, sammeln sich die unverdaulichen Kokons in den Mägen der Wiederkäuer. Die Tiere verhungern. Früher sammelten die Bauern die Kokons nur ab, ohne sie zu nutzen.
Jetzt hat ein Forscherteam der Nationaluniversität ein Projekt gestartet, das die wirtschaftliche Nutzung von Wildseide einführen will. "Das könnte eine interessante Einkommensquelle für die Bevölkerung von Matabeleland werden, die sonst wenig natürliche Ressourcen haben", sagt Projektleiter Abraham Nyoni. Die Zeit scheint günstig. Derzeit übersteigt die weltweite Nachfrage nach Seide das Angebot um zehn Prozent.
Internet: www.naturalfibres2009.org; www.new-ag.info/09/03/; www.pan-germany.net/baumwolle