Forscher sagen: Zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank
Viele Menschen leiden an regelmäßigen Schlafstörungen. Diese müssen behandelt werden, sollen sie nicht zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen, sagen Schlafexperten. Wer nachts wenig schläft, isst mehr, kann sich weniger merken und erkältet sich schneller. Alles unter fünf Stunden Schlaf sei auf Dauer ungesund.
05.11.2009
Von Barbara Driessen

Andreas Hinze hat sich damit abgefunden, dass seine Nächte immer sehr kurz sind. Seit er ein Teenager ist, schläft er nur zwischen drei und sechs Stunden pro Nacht. "Vor allem, wenn ich am nächsten Morgen einen wichtigen Termin habe, liege ich nachts lange wach", sagt der Unternehmer aus Köln. Dabei würde er sehr gern länger schlafen. Er geht früh ins Bett und schläft aus Erschöpfung sofort ein. "Aber nach exakt zwei Stunden bin ich wieder wach", sagt er. "Danach könnte ich eine Uhr stellen." Dann liegt er oft stundenlang im Bett, bis er irgendwann noch einmal kurz einschläft.

Viele können nicht durchschlafen

Etwa 42 Prozent aller Deutschen haben immer wieder einmal Probleme mit dem Schlaf. 15 Prozent der Bevölkerung leiden wie Andreas Hinze an regelmäßigen Schlafstörungen, die behandelt werden müssen, schätzt Schlafexperte Jürgen Zulley von der Universität Regensburg. Von einer "ernstzunehmenden Schlafstörung" spreche man, wenn der schlechte Nachtschlaf den Alltag beeinträchtige, etwa weil man ständig müde sei, und wenn diese Störung länger als vier Wochen anhalte.

Andreas Hinze leidet an einer sogenannten Durchschlafstörung: Er schläft abends schnell ein, wacht aber regelmäßig wieder auf und hat dann Probleme damit, wieder einzuschlafen. Der sportliche schlanke Mann hat im Laufe der Jahre alles versucht, um dies in den Griff zu bekommen: "Ich habe es mit Meditation und Entspannungsübungen versucht, um abends besser abschalten zu können", erzählt er. Auch mit Medikamenten sei er behandelt worden. "Aber damit habe ich wieder aufgehört, weil die Nebenwirkungen zu stark waren."

Mit der Zeit hat er selbst herausgefunden, was ihm am besten hilft: "Ich darf zum Beispiel in den Stunden vorm Zubettgehen nichts mehr lesen, weil sonst mein Kopf das Gelesene immer weiter durchspielt." Stattdessen hört er lieber Musik oder sieht fern. "Das muss dann irgendeine langweilige Sendung sein, zum Beispiel über eine Erdölbohrung in der Nordsee oder das Liebesleben von Quallen", erzählt er. Denn das Fernsehen müsse ihn zwar ablenken, dürfe ihn aber auch nicht packen.

Frauen leiden häufiger an sozialem Stress

Etwa doppelt so viele Frauen wie Männer leiden unter Durchschlafstörungen. "Ich würde zwar nicht sagen, dass Frauen generell leichter schlafen als Männer, aber sie reagieren einfach sensibler auf ihre Umwelt", urteilt Schlafexperte Zulley, der auch das Schlaflabor der Uni Regensburg leitet und Präsident der Deutschen Akademie für Gesundheit und Schlaf ist.

So erkrankten Frauen häufiger als Männer an Depressionen und den Folgen von sozialem Stress, was häufig mit Schlafproblemen einhergehe. Auch Mütter von kleinen Kindern schliefen oft schlecht, weil sie schon auf geringe Schlafgeräusche ihres Nachwuchses reagierten.

Langwierige Schlafstörungen sollten auf jeden Fall behandelt werden, warnt Zulley: "Denn zu wenig Schlaf macht dick, dumm und krank." Normalerweise werde im Schlaf das Appetit hemmende Hormon Leptin ausgeschüttet. Wird der Schlaf aber unterbrochen, kehrt der Hunger zurück, so dass Menschen mit Schlafproblemen nachts oft zum Kühlschrank wanderten und deshalb zunähmen.

"Dumm" würden Betroffene insofern, als chronischer Schlafmangel die Gedächtnisleistung verringere. "Man merkt sich Sachen einfach schlechter", sagt Zulley. Und "krank" mache Schlafmangel, weil das Immunsystem leide: "Schlechtschläfer sind drei mal so oft erkältet wie Gutschläfer".

Alles unter fünf Stunden ist ungesund

Sieben Stunden Schlaf seien optimal, urteilt der Experte. "Alles unter fünf Stunden ist auf die Dauer schädlich". Es sei auch eine Legende, dass Hochbegabte weniger Schlaf bräuchten: "Einstein hat immer zwölf Stunden geschlafen."

Wichtig sei die richtige "Schlafhygiene": "Immer zur selben Zeit ins Bett gehen und aufstehen, bei offenem Fenster und bei einer Raumtemperatur von 14 bis 18 Grad schlafen."

Die US-amerikanische Fachzeitschrift "Sleep" veröffentlichte jüngst eine Studie, nach der schon die Teilnahme an einer Verhaltenstherapie übers Internet vielen Betroffenen helfen kann: Jeder dritte Teilnehmer eines fünfwöchigen Kurses sprach anschließend von einer sehr deutlichen Verbesserung seiner Schlafprobleme.

Zulley rät hingegen zu einer Gruppen-Verhaltenstherapie. Auch der Besuch in einem Schlaflabor könne helfen. Schlafmittel dürften wegen der Suchtgefahr aber nur über einen kurzen Zeitraum und nur im äußersten Notfall verordnet werden.

"Wenn ich einmal richtig gut und lang schlafe, dann fühle ich mich gleich wie ein König", meint Andreas Hinze. "Aber das kommt leider nur etwa einmal im Jahr vor."

epd