Wenn die Zeitung zu teuer wird: Sozialabo als Lösung?
Zeitungen sind für die politische Bildung und Teilhabe an der Demokratie wichtig. Ein Abo leisten können sich aber immer weniger Bürger. Wäre ein Sozialabo die Lösung?
05.11.2009
Von Anja Wollschläger

Es war eine Bemerkung, auf die niemand reagierte. Als Journalistikprofessor Günther Rager im Mai vor dem Hauptausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages in Düsseldorf erklärte, dass sich viele Menschen keine Tageszeitung mehr leisten können, gab es keine Widerworte. Die Politiker und Verbandsvertreter nahmen die Äußerung hin und gingen zur Tagesordnung über. Dabei hatte derWissenschaftler aus Dortmund nichts anderes erklärt, als dass sich 17 Prozent der Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland die tägliche gedruckte Zeitung nicht mehr leisten können.

Während Verlage ihre Einbußen aus dem Anzeigengeschäft durch höhere Verkaufpreise ausgleichen, bleiben seiner Ansicht nach immer mehr Leser auf der Strecke. Auch Monate nach dieser Äußerung sagt der Journalistikprofessor im Ruhestand: "Ich kenne keinen Verlag, der Sozialabos anbietet." Dabei könnte die Idee sich vielleicht auch wirtschaftlich für die Verlage rechnen. Dahinter steckt das Konzept der Anzeigen-Auflagen-Spirale. Da sich Tageszeitungen nicht allein durch den Verkaufspreis finanzieren, sondern auch durch Anzeigen, sind sie für die Leser erschwinglich. Auf der anderen Seite interessieren sich die Geschäftsleute, die Werbung für ihre Produkte machen wollen, für die Auflage. Umso höher die Auflage, desto mehr Menschen begegnen auch der Werbung in der Zeitung. Mehr Auflage bedeutet also meist auch mehr Anzeigen. Damit können Verlage den Verkaufspreis niedrig halten.

Doch im Moment dreht sich die Spirale nicht aufwärts, sondern eher abwärts. Weniger Anzeigen, höherer Preis, weniger Auflage. Mehr als die Hälfte ihres Umsatzes machen die Verlage mit Anzeigen -- noch. Denn die Werbeeinnahmen gehen immer weiter zurück. Es wird weniger für Autos, weniger für Versicherungen und auch weniger für den Laden nebenan geworben. Zeitungen können nicht mehr so preiswert angeboten werden. Doch das bringt Probleme für manchen Leser mit sich. Rager hat herausgefunden, dass bei Abbestellungen am häufigsten als Grund angegeben wird, dass man sich die Zeitung nicht mehr leisten kann. Die Verbreitung der Tageszeitungen geht seit etwa zehn Jahren immer weiter zurück. Derzeit liegt sie bei rund 23,8 Millionen Exemplaren am Tag. Das sind rund 1,7 Prozent weniger als vor einem Jahr.

22 Euro pro Monat


Gut 22 Euro kostet eine Tageszeitung in Westdeutschland durchschnittlich im Monat. Im Osten sind es knapp 20 Euro. Das ist viel Geld für einen Menschen mit geringen Einkommen. Rager sieht auch einen Zusammenhang zwischen Langzeitarbeitslosigkeit und schrumpfenden Auflagen in einigen Gebieten Deutschlands. Daraus ergibt sich nicht nur ein wirtschaftliches Problem für die Verlage. Die Tageszeitung erfüllt auch eine wichtige Funktion in der Demokratie. So erklärte Verfassungsrichter Udo Di Fabio kürzlich zum 200. Jahrestag einer Lokalzeitung: "Die Zeitung ist objektiv unentbehrlich, und die Bürger wissen das."
Tageszeitungen sorgen für den notwendigen Gesprächsstoff vor allem im Lokalen, wo Fernsehen und Radio keine eigenen Redaktionen unterhalten.


So erklärte der Dortmunder Medienwissenschafter Horst Röper vor dem Ausschuss des Landtages, die Tageszeitung sei das Leitmedium: "Der Arbeitstag von Radio-, Zeitschriften- und Fernsehjournalisten beginnt mit der Zeitungslektüre." So geht auch Rager davon aus, dass der Staat ein Interesse daran hat, dass Tageszeitungen eine hohe Verbreitung und eine wirtschaftliche Grundlage haben. Die Verleger fordern unterdessen mehr Unterstützung vom Staat und denken dabei an eine Lockerung der Kartellrichtlinien, die die Meinungsvielfalt sichern sollen. So wollen sie ihre Gewinne sichern. Rager könnte sich auch eine staatliche Unterstützung für diejenigen vorstellen, die sich die Zeitung nicht leisten können. Er sagt: "Welche Lösung man auch anstrebt, die Gesellschaft muss sich etwas einfallen lassen, um das wichtige Informationsangebot für viele bezahlbar zu halten."