Was ist der Mann gut! Lässig kommt er auf die Bühne, in Polohemd, Jeans und Turnschuhen, gut gelaunt und zum Foppen aufgelegt. Keiner kommt bei ihm ungeschoren davon: Er reißt Witze über seinen Regisseur, über eine Zuschauerin mit einem auffälligen Lachen und über sich selbst. Das alles in den ersten Minuten. Nichts wirkt davon einstudiert, nichts abgegriffen. Schon ist das Publikum richtig in Fahrt, noch bevor es richtig los geht. Es wird so viel gelacht, dass manch einem Zuschauer die Tränen über die Wangen laufen. Schuld dran ist Dieter Nuhr mit seiner neuen Show "nuhr so" in der Düsseldorfer Nachtresidenz.
Was an dem Format anders ist? Zu relativ später Stunde, um 22.45 Uhr, beschäftigt sich der Kabarettist eine gute Stunde mit den Top-Themen der vergangenen Medien-Woche. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und natürlich dem Panorama. Und erzählt, was ihm dabei so durch den Kopf geht. Die Themen drehen sich "um die Lage der Nation". Also Schwangerschaften von C-Promis, Festtagsreden unserer Oberschwätzer und so Nebensachen wie Koalitionsverhandlungen oder Klimakatastrophe.
Vor kleinem, bunt gemischten Publikum zwischen 20 und 60 – und live übertragen vom ZDF – philosophiert Nuhr über Angela Merkel, Guido Westerwelle und Karl-Theodor zu Guttenberg. Über Michael Jackson und Boris Becker. Und die Zuschauer können per SMS, Video oder E-Mail Fragen stellen und ihre Meinung los werden. Ganz neu ist das Konzept nicht. Zum Lachen ist es trotzdem. Und das liegt allein an Nuhr.
"Hello Kitty'"
Los geht´s: "Hello Kitty' hatte 35. Geburtstag. Kennen Sie ,Hello Kitty‘? Diese debile, japanische Zeichentrick-Muschi?" Und: "Liebe Taxifahrer in Berlin: Deodorant ist keine unerlaubte Droge." Oder: "Vom Kriegshelden zur Held der Arbeit. Als Verteidigungsminister hat er gesagt, Krieg ist kein Krieg. Was wird Franz Josef Jung wohl als Arbeitsminister den Arbeitslosen sagen? Du bist gar nicht ohne Arbeit? Du hast halt nur grad nichts zu tun?"
Dieter Nuhr ist ganz schön beschäftigt. Seit 20 Jahren steht der 49-Jährige nun auf kleineren und größeren Bühnen, ist im Radio zu hören und im Fernsehen zu sehen. Neben seiner Tour "Nuhr die Ruhe", mit der er fast jeden Abend in einer anderen deutschen Stadt auftritt und Hallen wie die Kölner Philharmonie oder die Düsseldorfer Tonhalle füllt, moderierte er beispielsweise gerade den Comedy-Preis. Jetzt soll es also etwas anderes sein. Etwas Kleines. Intimeres. Und doch nicht so intimes. Denn Deutschland schaut zu.
Dann ist es soweit: Jetzt laufen die Kameras, jetzt ist Nuhr auf Sendung. Und plötzlich ist es ein bisschen so, als hätte jemand den Schalter umgelegt. Auf einmal ist er nicht mehr ganz so locker, wirkt irgendwie glatter, routinierter und deshalb nicht mehr ganz so witzig. Nuhr, der Medienmensch. Vielleicht ist es auch ein bisschen die Aufregung, jedenfalls sagt er das von sich selbst. Trotzdem: Sein Konzept geht auf. Er hat sein Publikum fest im Griff.
Moonwalk
Ein Video erreicht ihn auf der Bühne. Zwei Frauen aus dem Zuschauerraum haben es vor der Sendung aufgenommen. "Dieter, kannst du eigentlich Michael Jacksons ,Moonwalk‘?" Promte Antwort: "Ja, kann ich." Pause. Undurchdringliche Miene. „Zurück zum Thema.“ In bester Dieter-Nuhr-Manie: trocken und nebenbei. Dann aber sagt er doch noch etwas dazu: Dass er nicht tanzen kann, dass er aber verspricht, den ,Moonwalk‘ bis zu seinem Jahresrückblick drauf zu haben. Und versucht behelfsmäßig schon mal ein paar Schritte.
Richtig gut: Wenn Nuhr über Guido Westerwelle, den neuen Außenminister, herzieht. "Was denkt er wohl, der Westerwelle, wenn er so da steht?" Hinter Nuhr wird ein Foto aus der ,Bild‘ eingeblendet, auf dem Westerwelle bei der Vereidigung mit nach oben gereckter Nase über seinem Publikum posiert. "Mensch, Möllemann, ab und zu fällt doch noch ein Meister vom Himmel". Da war doch noch was? Ach ja. Nuhr schiebt nach: "Jede Regierung braucht einen ,Schwarzen Mann‘, dieses Mal ist der schwarze Mann gelb. Überhaupt ist Retro in. Und deshalb flüstern die Eltern der Opposition ihren Kindern jetzt wieder den alten Spruch ins Ohr: Wenn du nicht brav bist, dann kommt das Außenmonster."
Überhaupt. Geht es um Politik, ist das, was Nuhr auf der Bühne abliefert, Kabarett vom Feinsten: leise, böse, pointiert. Dann ist er einer der ganz Großen. Zu Recht. Nur das andere. Das ist nicht immer lustig, ist manchmal zu platt. Wenn er zum Beispiel zwei junge Frauen in Strapsen und Unterwäsche auf die Bühne bittet, damit sie dem ZDF zu einem jüngeren Publikum verhelfen, indem sie die Zuschauer von RTLII in der Werbepause mit ihren Reizen zum öffentlich-rechtlichen Sender ziehen, wirkt das bemüht, ja fast schon peinlich. Aber was soll´s? Das Publikum mag es trotzdem und applaudiert kräftig.
Hoher Marktanteil
Dieter Nuhrs Show "nuhr so" – lohnt sich das? Das lohnt sich. Und wie. 2,04 Millionen Menschen schauten ihm im ZDF zu, das ist ein Marktanteil von 12, 2 Prozent. Zum Vergleich: Die erste Folge der neuen Staffel von "Stromberg" (Pro Sieben) schaffte es nur auf einen Marktanteil von neun Prozent, allerdings eine halbe Stunde vor dem Programm vor Dieter Nuhr. Zeitgleich lief "Menschen bei Maischberger" (ARD) mit einem Anteil von 11,9 Prozent.
Vor allem aber lohnt sich die Show, weil es viel zu lachen gibt. Am besten lacht es sich jedoch live und vor Ort. Allein schon wegen der guten Stimmung und der Atmosphäre. Denn live-im-Fernsehen ist eben doch nicht live-auf der-Bühne.
Nächste Vorstellung: 11. November. 22.30 Uhr, Nachtresidenz, Düsseldorf. Weitere Termine: 1. und. Dezember 2009 oder im ZDF. Mehr Infos unter www.nuhr.de oder unter www.nuhrso.de.
Wer die erste Folge verpasst hat, kann sie in der ZDF Mediathek anschauen.
Maike Freund ist freie Autorin bei evangelisch.de und studiert Journalistik an der Universität Dortmund.