Wachstum anders: Tagung für ein neues Wirtschaften
Die natürlichen Ressourcen sind begrenzt und dennoch reden Politik und Unternehmen stets vom Wachstum. Bei einer Tagung suchten Wissenschaftler nach Alternativen.

Ist die Fokussierung unseres Wirtschaftssystems auf Wachstum noch zeitgemäß? Nein, sagt der Soziologe am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, Wolfgang Sachs. Bei einer Tagung in Frankfurt am Main forderte er ein neues Wachstumskonzept. Die Idee des unbegrenzten Wachstums beruhe auf dem Abbau fossiler Rohstoffe und ihrer Umwandlung in Energie. Mit dem Erschöpfen der Rohstoffe und dem Eintritt in das Solarzeitalter werde diese Wachstumsvorstellung zugrunde gehen.

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Ein ökologischer Wandel werde jedoch nicht durch technische Mittel herbeigeführt, sondern nur durch neue Ziele, so Sachs. So widersprächen die Wachstumsforderungen der Regierungen vollständig dem Vorhaben, den Kohlendioxid-Ausstoß in der Europäischen Union bis 2050 um 80 Prozent zu senken.

Sachs plädiert für ein "grünes Wachstum", das auf erneuerbaren Energien beruhe und mit weniger Energie-, Natur- und Flächenverbrauch auskomme. Eine entscheidende Blockade sei jedoch die Ausrichtung der Unternehmen auf kurzfristige Gewinne mit hoher Rendite. Sachs' Lösung: das Aktien- und Unternehmensrecht ändern. Die Gerechtigkeitsfrage werde sich nach dem Ende des Wachstumszeitalters verstärkt stellen, mahnt der Wissenschaftler.

Aufklärung hilft nicht weiter

Der der Sozialpsychologe Harald Welzer vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen stimmte Sachs bei der Tagung in Frankfurt zu. Die Politik versuche, die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise mit "gestrigen Modellen" zu bewältigen. Die Probleme des Klimawandels, der weltweiten Wasser- und Ernährungsversorgung seien genau erforscht, aber die Politik steuere nicht um. Mehr Aufklärung trage nicht zur Lösung der Zukunftsprobleme bei.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung kritisierte den "wirtschaftlichen Wachstumszwang" ebenfalls. Die Forderung nach ständigem Wachstum verkenne die Endlichkeit der Ressourcen, sagte Jung in Frankfurt. "Unsere Lebensweise ist nicht ökologisch verträglich und nicht zukunftsfähig." Der Wachstumszwang werde in den Rang einer Zivilreligion erhoben, kritisierte der Kirchenpräsident.

Die Wirtschaft dürfe die Grundlagen der zukünftigen Generationen nicht gefährden und müsse die Lage der Ärmsten verbessern, forderte Jung. Als Leitbild beschrieb der evangelische Theologe eine Wirtschaftsweise, die allen Bürgern ein "gedeihliches Leben" verschaffe, ohne auf ein quantitatives Wachstum angewiesen zu sein. "Der Appetit der Gegenwart darf nicht zum Hunger der Zukunft werden", so Jung.

epd