Am Morgen hatte das tschechische Verfassungsgericht eine Klage gegen den EU-Reformvertrag abgewiesen. Die Entscheidung der 15 Richter fiel einstimmig und sei nicht anfechtbar, sagte der Vorsitzende Richter Pavel Rychetsky am Dienstag in Brno (Brünn). Nach dem Ja der Iren im zweiten Referendum war Tschechien das letzte der 27 EU-Länder, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hatte.
Der Weg für ein europaweites Inkrafttreten des Grundlagenabkommens ist nun frei. Damit der EU-Reformvertrag in Kraft treten kann, müssen die Ratifizierungsurkunden von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten in Rom hinterlegt sein. Dann tritt der Vertrag zum nächsten Monatsersten in Kraft. Die EU hatte bereits auf den 1. Dezember gehofft.
"Die tschechische Souveränität ist nicht in Gefahr"
Geklagt hatte eine Gruppe von 17 EU-kritischen Senatsabgeordneten. Ihre Forderung, zusätzlich die EU-Verträge von Rom und Maastricht zu überprüfen, wiesen die Richter grundsätzlich zurück - "das übersteigt unsere Rechtsbefugnisse". Das Gericht bezog sich in seiner Begründung auch auf sein Urteil vom November 2008, als es bereits eine erste Klage gegen den Lissabon-Vertrag abgelehnt hatte.
"Die tschechische Souveränität ist nicht in Gefahr", sagte Richter Rychetsky, entsprechende Befürchtungen seien unbegründet. "Das Europaparlament ist keine exklusive Quelle demokratisch legitimierter Entscheidungen, sondern handelt immer in Kombination mit innerstaatlichen Regelungen", sagte Rychetsky in Richtung von EU-Kritikern, die dem Bündnis "demokratische Defizite" vorwerfen.
Schutz vor Forderungen von Vertriebenen
Klaus hatte zuletzt für Tschechien ein Aussetzen der EU-Grundrechtecharta durchgesetzt, um sein Land vor Rückgabeforderungen von Vertriebenen zu schützen. Polen und Großbritannien hatten zuvor ähnliche Ausnahmen für die dem Lissabon-Vertrag angehängte Charta erreicht. Klaus wollte mit seinen Einwänden die umstrittenen Benes- Dekrete, auf deren Grundlage hunderttausende Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben und enteignet wurden, juristisch absichern.
Die EU verbindet mit dem Lissabon-Abkommen Strukturreformen. Es soll den Nizza-Vertrag als bisherige Rechtsgrundlage der EU ersetzen und Entscheidungen der mittlerweile 27 Mitgliedsländer umfassenden Union erleichtern. Als vorletztes Land hatte sich Irland am 2. Oktober in einem zweiten Referendum für den Vertrag ausgesprochen.
Information: Auch die Evangelische Kirche in Deutschland unterstützt den EU-Reformprozess. Der Vertrag von Lissabon werde die EU bürgernäher, demokratischer und handlungsfähiger machen, sagt etwa Katrin Hatzinger, die das EKD-Büro am Sitz der EU in Brüssel leitet. Der Bevollmächtigte des Rats der EKD Berhard Felmberg, der die Schnittstelle der EKD zur Politik leitet, hielt im September einen Vortrag über christliche Verantwortung im Prozess der europäischen Integration (pdf).