Neue Modelle seien nötig, sagte der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter. "Wenn die sozialen Verbände jetzt aussteigen, dann ist das ein Problem", sagte Kreuter. Eine Verkürzung der Dienstzeit werde jedoch überwiegend nur dann als problematisch gesehen, wenn der Dienst unverändert bleibe. Deshalb müsse jetzt dafür gesorgt werden, dass es Veränderungen gebe. Dafür seien jetzt Gespräche mit allen Beteiligten notwendig.
"Zu kurz für vernünftigen Einsatz"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hatte angekündigt, wegen der für von Union und FDP für 2011 geplanten Verkürzung keine Zivildienstleistenden mehr einzusetzen. Die Pläne läuteten "den Anfang vom Ende des Zivildienstes überhaupt" ein, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Unsere Mitgliedsorganisationen haben bereits signalisiert, dass sie die Stellen dann zurückgeben und nicht mehr besetzen werden." Für die Organisationen dieses Dachverbandes arbeiten nach seinen Angaben rund 500.000 Menschen, davon 15.000 "Zivis" - das ist rund ein Fünftel aller Zivildienstleistenden in Deutschland.
Die schwarz-gelbe Koalition hat für 2011 die Verkürzung des Wehr- und damit auch des Zivildienstes von neun auf sechs Monate vereinbart. Die Wohlfahrtsverbände wären nach der Verkürzung nicht mehr in der Lage, "Zivildienstleistende noch vernünftig einzusetzen", sagte Schneider. Im Rettungsdienst dauere die Ausbildung an den Fahrzeugen drei Monate. "Da bringen sechs Monate dann gar nichts mehr." In anderen Bereichen wie der Pflege, in Kindergärten oder bei der Arbeit mit Behinderten könne "man es den Menschen einfach nicht zumuten, alle halbe Jahre die Bezugsperson zu wechseln." Auch den Einsatzstellen könne man nicht zumuten, stets neue Leute einarbeiten zu müssen. Ähnlich äußerte sich der Malteser Hilfsdienst.
"Betroffene gewinnen Zeit"
Caritas und Diakonie, die mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband zu den größten Anbietern von Zivildienststellen gehören, reagierten dagegen gelassen auf den kürzeren Zivildienst. "Für die jungen Menschen sind die drei Monate gewonnene Zeit", sagte der Diakonie-Sprecher für Zivildienstfragen, Wolfgang Buff dem epd. Es müsse nun vermieden werden, dass den jungen Männern nach dem Zivildienst keine unnötigen Wartezeiten auf Studien- oder Ausbildungsplätze entstünden.
Caritas-Präsident Peter Neher sagte, die aktuelle Debatte zeige, dass anscheinend vergessen worden sei, dass der Einsatz von Zivildienstleistenden lediglich zusätzliche und ergänzende Tätigkeiten im sozialen Bereich ermöglichen solle. Auch ein sechsmonatiger Zivildienst könne jungen Männern wichtige Impulse für ihr Leben geben.
Für FSJ als Alternative fehlt bislang Geld
Um die entstehenden Lücken auszugleichen, plädieren viele Verbände für eine freiwillige Verlängerungsmöglichkeit beim Zivildienst und/oder für den Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). So sagte Ulrich Schneider vom "Paritätischen" dem "Kölner Stadt-Anzeiger", der Verlust lasse sich durch Freiwillige im sozialen und ökologischen Jahr ausgleichen, wenn dafür mehr Geld bereitgestellt werde. Der Bund müsste nach Schneiders Angaben jährlich etwa 60 Millionen Euro zuschießen, damit das Loch gestopft werden könne, das die Zivildienstleistenden hinterließen. In diesem Jahr zahle die Bundesregierung 19,2 Millionen Euro für Freiwilligendienste.
Für die Einrichtungen sind FSJler allerdings teurer als Zivis, da Zivildienststellen vom Bund höher subventioniert werden. Auch die Diakonie und der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordern deshalb, die Ersparnisse, die die Bundesregierung durch die Verkürzung des Zivildienstes realisiert, in voller Höhe dem FSJ zugutekommen zu lassen. Die Dauer des Freiwilligen Sozialen Jahres ist zwischen den Bewerbern und den Einrichtungen zwischen sechs und 24 Montane frei zu vereinbaren.
Bundesweit sind nach Angaben des Bundesamtes für den Zivildienst derzeit gut 76.000 Zivildienstleistende im Dienst. Außerdem absolvieren dem Bericht zufolge bundesweit etwa 35.000 junge Menschen ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr (FSJ). Die Zahl der Bewerber sei ungefähr doppelt so hoch.
Freiwillige Verlängerung des Zivildienstes?
Außerdem im Gespräch: eine freiwillige Verlängerung des Zivildienstes. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Hermann Kues (CDU), nannte diese Option, ebenso der Städte- und Gemeindebund. Auch Zivildienstbeauftragter Kreuter schloss auf Nachfrage auch eine freiwillige Verlängerung des Zivildienstes nicht aus.
Kritisch bewertete Kreuter Ankündigungen von Sozialverbänden, Zivildienstleistende mit verkürzter Dienstzeit künftig nicht mehr in der Pflege, sondern nur noch zum Rasenmähen oder als Hausmeister einzusetzen. Ziel müsse es sein, den Zivildienst so sinnvoll, so lehrreich und so attraktiv wie möglich zu gestalten, betonte der 44-jährige evangelische Theologe und Jurist.
Info: Weiterführendes Material und Links zu den Themen Wehrdienstverweigerung und Zivildienst bietet die Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer.