Protestanten: Roms Einladung an Anglikaner schadet Ökumene
Evangelische Fachleute sind skeptisch gegenüber Plänen des Vatikans, konservativen Anglikanern den Weg in die katholische Kirche zu erleichtern. Sie warnen vor einer Belastungsprobe. Die Übertrittswilligen sollen eigene Gemeinden mit verheirateten Priestern erhalten.

Mit Blick auf die Pläne des Vatikans, Anglikanern den Schritt in die römisch-katholische Kirche zu erleichtern, hat der Evangelische Bund in Deutschland vor einer Belastungsprobe der Ökumene gewarnt. Papst Benedikt offenbare damit, wie er sich den Weg zur Einheit der Kirche vorstellt, erklärte der frühere Präsident des Bundes, Hans-Martin Barth, am Montag im hessischen Bensheim.

Das "Fischen in anglikanischen Teichen", vor dem der für Ökumene zuständige vatikanische Kurienkardinal Walter Kasper vor einiger Zeit gewarnt habe, scheine in vollem Gang zu sein, so der Theologieprofessor weiter. Zehn Jahre nach Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre und ein halbes Jahr vor dem 2. Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in München "stehen die ökumenischen Beziehungen zwischen Vatikan und Protestantismus vor einer unerwarteten Belastungsprobe".

Gegen die Selbstverpflichtung

Rom könnte in ähnlicher Weise hochkirchlich orientierten lutherischen Gemeinden "entgegenkommen", fügte Barth unter Berufung auf katholische Ökumenefachleute hinzu. In der 2001 unterzeichneten Charta Oecumenica habe sich der Rat der katholischen Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) zusammen mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) darauf festgelegt, "schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr neuer Spaltungen zu vermeiden." Dieser Selbstverpflichtung werde mit dem vorgesehenen Schritt nicht entsprochen, kritisierte Barth.

Der Vatikan will konservativen Anglikanern den Weg in die katholische Kirche erleichtern. Sie sollen sich in sogenannten Personalprälaturen zusammeschließen können, in denen verheiratete Priester möglich sind. Das Angebot erfolgt mit Zustimmung der Anglikanischen Weltgemeinschaft. In ihr gibt es seit längerem Streit wegen des kirchlichen Umgangs mit Homosexuellen sowie der Zulassung von Frauen zum Pfarramt. Meldungen, wonach ein erster anglikanischer Bischof seine Bereitschaft zum Übertritt in die katholische Kirche erklärt haben soll, wurden inzwischen dementiert.

epd