Neue Anleitung zum Klimaschutz
"Der Global Deal" prankt in grünen Worten auf dem Buchumschlag. Und während man noch überlegt, ob es sich hier um einen Schreibfehler handelt oder um eine Verlagsidee, fällt der Blick auf den Autor: Nicholas Stern. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank hatte 2006 einen Report über die Kosten des Klimawandels veröffentlicht und damit das Thema erstmals weit in die Wirtschaftspolitik hinein gestoßen.
02.11.2009
Von Simone Humml

Ein Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) würde es kosten, wenn sofort mit ausreichendem Klimaschutz begonnen würde, heißt es im Stern-Report. Nichthandeln werde dagegen langfristig pro Jahr 5 bis 20 Prozent betragen.

Kosten für Nichthandeln steigen

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"Im Rückblick glaube ich, dass die Voraussetzung des Stern-Reports zu einer Unterbewertung der Kosten des Nichthandelns führten", erläutert der Brite in seinem neuen Buch. Der Report habe die Emissionszunahme unterschätzt und die langfristige Aufnahmekapazität der Erde für die Treibhausgase überschätzt. Auch die Kosten für den Klimaschutz setzt er nun höher an: Ein bis zwei Prozent würde es jährlich kosten, die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern.

Zugleich entwirft er einen Plan, wie dem zu begegnen sei. "A Blueprint For A Safer Planet" heißt der Originaltitel des Buches. Wie eine "Anleitung für einen stabileren Planeten", lesen sich seine Vorschläge und Erläuterungen dazu.

Preise sollen Schäden berücksichtigen

Der globale "Deal" müsse effektiv, effizient und gerecht sein, betont Stern in dem kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen erschienenen Buch: Im Zentrum der Klimastrategie müssten die Produktpreise stehen. Sie sollten die Schäden einbeziehen, die ein Produkt heute oder künftig verursacht. Der Chef der Supermarktkette Tesco habe sich beispielsweise schon zu umfassenden CO2-Angaben auf den Produkten verpflichtet, darin ist der CO2-Ausstoß durch Herstellung und Transport einbezogen.

Die Schlüsselelemente des globalen Deals sind:

  1. Industrieländer reduzieren ihren Ausstoß um 20 bis 40 Prozent bis 2020, um 80 Prozent bis 2050
  2. Entwicklungsländer sollen ab 2030 wieder weniger ausstoßen und 2050 nur 2 Tonnen pro Kopf
  3. Emissionshandel
  4. Bekämpfung der Entwaldung. "Der Wald ist viel mehr wert, wenn er bestehenbleibt, als wenn er gefällt wird."
  5. Technischer Fortschritt
  6. Entwicklungshilfe für die Anpassung an den Klimawandel

Fleischproduktion schadet mehr als Verkehr

Natürlich rechnet Stern seine Vorschläge auch im Detail durch. Die Halbierung der Entwaldung, die Steigerung der staatlichen Energie- Forschung und die Anpassung der ärmeren Länder an den Klimawandel würde demnach nur 0,3 Prozent des BIP der reichen Länder kosten.

Die Fleischproduktion trage zu 18 Prozent zum Treibhauseffekt bei. Darunter sind Waldrodung, Produktion und Transport von Dünger, direkte Emissionen von Rindern und Schafen. Das sei mehr als der Verkehr mit 13 Prozent. Wechsle ein US-Bürger von seiner Durchschnittskost zu fleischloser Ernährung, spare er 1,5 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr.

"Emission bedeutet Marktversagen"

Die weltweite Finanzkrise sollte den Klimaschutz laut Stern auf zweierlei Weisen befeuern: Eine zentrale Lehre aus dem "Finanzchaos" sollte sein, dass es gefährlich ist, wachsende Risiken zu ignorieren oder nicht zu kennen. Die gegenwärtige Krise habe sich über 15 oder 20 Jahre entwickelt. Zudem könnten Investitionen in den Klimaschutz nun eine Triebfeder für nachhaltiges Wachstum werden.

"Im Zentrum der Wirtschaftspolitik muss die Erkenntnis stehen, dass die Emissionen von Treibhausgasen ein Marktversagen bedeutet", schreibt Stern. Denn sie fügen den Zukunftsaussichten anderer Schaden zu.

Wenn die Entwicklungsländer ihren gegenwärtigen Zuwachs an Treibhausgasen von drei bis vier Prozent jährlich fortsetzen, werden sie in 20 Jahren ebenso viel ausstoßen wie jetzt die ganze Welt. Es ist ein mahnendes Buch kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember, und es enthält zugleich einen Entwurf, wie der internationale Klimaschutz gelingen könnte.


Nicholas Stern: Der Global Deal Verlag C.H. Beck, München, 2009 287 Seiten, 19,90 Euro ISBN 978-3-406-59176-1

dpa