Gesundheitspolitik bleibt Zankapfel von Schwarz-Gelb
Die Gesundheitspolitik bleibt Zankapfel zwischen Union und FDP. CSU-Chef Horst Seehofer lehnte den von der FDP angestrebten Radikalumbau des Gesundheitssystems am Sonntag strikt ab. "Ein Gesundheitssystem, in dem die Lasten solidarisch verteilt sind, gehört zu meinem Markenkern. Der steht nicht zur Disposition", sagte er der "Welt am Sonntag".

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) bekräftigte das Ziel, ein neues System auf den Weg zu bringen. "Wir brauchen mehr Freiheit: Freiheit bei der Wahl der Therapie, bei der Wahl des Arztes und bei der Wahl der Krankenkasse", sagte er "Bild am Sonntag". Von SPD und Linker kam Kritik an den Plänen.

Seehofer: Es kommt auf die Balance an

Der Gesundheitsminister forderte: "Die Krankenkassen müssen wieder untereinander im Wettbewerb stehen, sie müssen unterschiedliche Beiträge verlangen dürfen und unterschiedliche Leistungen anbieten können." Derzeit gebe es überall die gleiche Leistung zum gleichen Preis, "ohne dass irgendein Patient durchschaut, was eigentlich mit seinem Geld geschieht, und wer was wie abrechnet". Rösler will, dass Ärzte künftig wieder mehr Zeit für ihre Patienten haben und von Bürokratie entlastet werden.

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Seehofer sagte: "Es kann keine endlose Beitragserhöhung geben, keine endlose Leistungskürzung und auch keinen unbegrenzten Zufluss von Steuermitteln. Letztlich kommt es auf die richtige Balance an - zwischen Kostenminimierung und sozialer Fürsorge." SPD-Fraktionsvize Elke Ferner erklärte am Sonntag in Berlin: "Jetzt versucht Seehofer, sein Umfallen zu kaschieren." Die Gesundheitsexpertin der Linken, Martina Bunge, sagte: "Mehr Wettbewerb ohne soziale Schranken macht die Gesundheit zur Ware. Die beste Gesundheitsversorgung wird an die Meistbietenden verhökert."

Söder: Solidarität muss Kompass sein

Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) sagte in der ZDF- Sendung "Berlin direkt", der umstrittene Gesundheitsfonds müsse weiterentwickelt, vielleicht sogar abgeschafft werden. "Meiner Ansicht nach ist der Fonds mit den Vereinbarungen der Koalition Geschichte." Die Frage sei aber, zu welchen Bedingungen dies geschehe. "Und die Bedingungen können am Ende nicht eine Art Privatisierung des Gesundheitswesens sein." Die Solidarität müsse weiter "der Kompass und der Maßstab im Gesundheitswesen" sein.

Die IG Metall warnte vor einer Abkehr vom Sozialstaat. "Zusätzliche Kosten der Gesundheitsversorgung gehen einseitig zulasten der Arbeitnehmer", kritisierte IG-Metall-Chef Berthold Huber im "Tagesspiegel" (Montag). Schwarz-Gelb wolle die paritätische Finanzierung aushebeln. "Das zielt auf einen anderen Sozialstaat."

Kein Komplettumbau zu Kopfpauschalen

Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP vereinbart, dass die Kassen von 2011 an wieder unterschiedlich hohe Beiträge statt des Einheitsbeitrags von 14,9 Prozent nehmen dürfen. Mögliche Prämienerhöhungen sollen die Versicherten alleine tragen. Der Arbeitgeberanteil von 7 Prozent soll eingefroren, der bisherige Beitrag von Arbeitseinkommen oder Rente (derzeit 7,9 Prozent) möglicherweise teilweise oder ganz auf eine Pauschalprämie umgestellt werden. Ein kompletter Umbau des Systems hin zu sogenannten Kopfpauschalen ist derzeit aber nicht geplant.

Die Finanzierung der Krankenkassen über Kopfpauschalen würde die Versicherten nach Berechnungen der AOK Schleswig-Holstein monatlich rund 140 Euro kosten. Der Betrag ergebe sich aus der Summe der in diesem Jahr gezahlten Krankenkassenbeiträge geteilt durch die Zahl der Versicherten, berichten die "Lübecker Nachrichten" (Sonntag). Würden auch die bisher beitragsfrei mitversicherten Familienangehörigen eine Kopfpauschale zahlen, läge der monatliche Beitrag bei 100 Euro.

dpa