"Größter Ausverkauf Deutschlands" startet
Am Sonntag um sechs Uhr früh soll es anfangen: Quelle hat noch 18 Millionen Waren, die mit Rabatten zwischen 10 und 30 Prozent an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen.

Mit den noch übrigen 4.300 Beschäftigten will Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg die Abwicklung des Versandhauses organisieren. Die Waren sollen über das Internet sowie die Quelle Technik Center und die Quelle-Shops verkauft werden, wie der Insolvenzbeauftragte für den Versandhandel, Jörg Nerlich, mitteilte. 

Damen-, Herren-, Kinder-Mode, Wäsche, Schmuck, Sport und Schuhe würden mit 30 Prozent, Möbel, Heimtextilien und Hartwaren mit 20 Prozent und Technik-Ware mit 10 Prozent Rabatt verkauft. Ratenzahlung sei nicht mehr möglich. Die entsprechend umgestaltete Website www.quelle.de soll am 1. November um 6 Uhr freigeschaltet werden.

Angestellte teils bis Freitag im Ungewissen

Zuvor hatte der Niedergang des traditionsreichen Versandhauses mit einer der größten Massenentlassungen der jüngsten Zeit seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Mehr als 2.000 Beschäftigte erlebten am Freitag ihren letzten Arbeitstag. Viele schieden mit Groll und Enttäuschung aus dem Unternehmen, in dem manche jahrzehntelang beschäftigt gewesen seien, berichteten Betriebsräte. Einige hätten ihre Kündigungen am Donnerstag, manche sogar erst im Laufe des Freitags erhalten. Betroffene seien damit bis zum letzten Moment im Ungewissen gelassen worden.

Betroffen von den jüngsten Kündigungen waren nach Angaben von Quelle-Betriebsrat Rainer Rohlederer unter anderem die Werbe- und Foto-Abteilung. "Wenn man keinen Quelle-Katalog hat, braucht man auch keine Werbeleute mehr", sagte der Arbeitnehmervertreter. Aber auch der Außendienst sei nahezu komplett aufgelöst, den dortigen Mitarbeiter kurzfristig gekündigt worden. Weiter beschäftigt bliebe das Personal in den Quelle Technik Centern. Die Quelle-Abwicklung war notwendig geworden, nachdem sich trotz monatelanger Suche für das insolvente Unternehmen kein Investor gefunden hatte.

"Offenes Ohr für Wut und Verzweiflung"

Mit mehreren Angeboten versuchen die Kirchen, den betroffenen Mitarbeitern zu helfen. Am Donnerstagmittag bezog die mobile "Kirche vor Ort" Stellung gegenüber dem Personaleingang von Quelle in der Adam-Klein-Straße in Nürnberg. Dort stehen kirchliche Mitarbeitende für Gespräche und Informationen über weitere Hilfsangebote zur Verfügung.

"Wir wollen für die Menschen ein offenes Ohr haben, wenn sie nicht wissen wohin mit ihrer Wut und Verzweiflung", sagte Sozialsekretär Norbert Feulner vom evangelischen Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA). "Gerade jetzt brauchen die Menschen die Unterstützung und die Solidarität auch der Kirchen", ist der Seelsorger überzeugt.

Alle Betroffenen sind zudem zu einem offenen Treff am nächsten Mittwoch eingeladen (um 16 Uhr in den Gemeinderäumen der Epiphaniaskirche). Beteiligt an diesen Angeboten sind der KDA, die Katholische Betriebsseelsorge sowie die Evangelische und Katholische Kirche vor Ort. Sie verabschiedeten auch gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund die "Nürberger Erklärung zur Wirtschafts- und Finanzmarktkrise", in der sie anlässlich der Quelle-Abwicklung eine Umkehr in der Kultur des Wirtschaftens fordern.

3.600 haben sich bereits arbeitlos gemeldet

Viele gekündigte Quelle-Mitarbeiter warten noch immer darauf, dass ihnen Quelle eine Arbeits- und Lohnbescheinigung ausstellt, berichteten Beschäftigte am Freitag. Ohne diese beiden Nachweise könnten sie kein Arbeitslosengeld beantragen. Görgs Sprecher Thomas Schulz entschuldigte die Versäumnisse mit der Extrembelastung der Quelle-Personalabteilung. "Die Mitarbeiter haben in den letzten Wochen und Monaten am Limit gearbeitet", unterstrich er. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sollen die Mitarbeiter ihre Arbeitsbescheinigungen bis zum 6. November erhalten.

Unterdessen wurde am Freitag das kurzfristig im Nürnberger Quelle- Versandzentrum eingerichtete "Mini-Arbeitsamt" wieder geschlossen. "Wir ziehen über das Wochenende in separate Räumlichkeiten in der Agentur um", sagte die Leiterin der Nürnberger Arbeitsagentur, Elsa Koller-Knedlik. Dort werde den Quelle-Beschäftigten noch am Montag und Dienstag ein Schnellservice für die Arbeitslosmeldungen zur Verfügung stehen. In dem "Mini-Arbeitsamt" hätten sich im Laufe der Woche 2.500 Menschen arbeitslos gemeldet; gut 1.000 seien direkt in die Arbeitsagentur gekommen. Für die Fortbildung arbeitsloser Quelle- Beschäftigter hat die Bundesagentur inzwischen fünf Millionen Euro in Aussicht gestellt.

"Leuchtturm für den Aufbau Ost" am Ende

Mit dem Start des Quelle-Ausverkaufs scheint auch das Schicksal des hochmodernen Quelle-Logistikzentrums in Leipzig besiegelt. "Wenn Quelle nicht mehr am Markt ist, hat auch Leipzig seinen Sinn verloren", sagte ein Sprecher des Verteilzentrums. Das 1995 als "Leuchtturm für den Aufbau Ost" in Betrieb genommene Versandzentrum hatte zuletzt 800 Beschäftigte. Ob für den Ausverkauf alle von ihnen benötigt würden, sei noch unklar, sagte der Sprecher.

Unterdessen nahm die Deutsche Post den ausgesetzten Versand von Quelle-Produkten wieder auf. "Nachdem sichergestellt ist, dass wir für die Dienstleistung bezahlt werden, fahren wir den Service ab heute wieder hoch und erbringen wie gewohnt unsere Leistung", sagte Postchef Frank Appel am Freitag in Bonn. Der Versand sei vorübergehend eingestellt worden, um Schaden vom Unternehmen Post abzuwenden. Nun hat sich die Post offenbar mit dem Quelle-Insolvenzverwalter über eine ausstehende Zahlungsanweisung geeinigt.

dpa/evangelisch.de