EU-Gipfel macht Weg für Lissabonvertrag frei
In der Europäischen Union stehen die Zeichen auf Reform: Die Staats- und Regierungschefs einigten sich bei ihrem Gipfel in Brüssel auf eine Ausnahmeregelung für Tschechien und räumten die letzte politische Hürde für die Annahme des Lissabonner EU-Vertrags beiseite.
30.10.2009
Von Christian Böhmer

"Der Weg für die Ratifizierung durch Tschechien steht jetzt offen", sagte der schwedische Ministerpräsident und Gipfelgastgeber Fredrik Reinfeldt am Donnerstagabend nach Abschluss der Beratungen.

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Die Staats- und Regierungschefs kommen dem EU-kritischen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus mit einer Fußnote entgegen. Sie wird auch von den Nachbarn Tschechiens - damit auch Deutschland - akzeptiert. Klaus hatte die Ausnahme - die bereits bei den Vertragsverhandlungen Großbritannien und Polen eingeräumt wurde - zur Bedingung gemacht, um den neuen Grundlagenvertrag zu unterschreiben.

Zustimmung Tschechiens wahrscheinlich

Die Billigung in den übrigen 26 Mitgliedstaaten ist bereits abgeschlossen. "Wir haben Präsident Klaus über die Änderungen informiert und er stimmt ihnen zu", sagte der tschechische Regierungschef Jan Fischer. Klaus' enger Mitarbeiter Jiri Weigel sagte, Klaus werde keine weiteren Bedingungen stellen.

Der Gipfel-Kompromiss stellt klar, dass die im Lissabonvertrag enthaltene Grundrechtecharta keine Rechtsgrundlage für mögliche Klagen gegen die sogenannten Benes-Dekrete von 1945 sind. Auf deren Grundlage waren mehr als zwei Millionen Sudetendeutsche und Hunderttausende von Ungarn aus der damaligen Tschechoslowakei vertrieben worden.

"Wir haben ihnen gegeben, was sie wollten", meinte Reinfeldt mit Blick auf Tschechien. Der Lissabonvertrag müsse wegen der Prager Ausnahme nicht wieder in den 27 Mitgliedstaaten neu gebilligt - ratifiziert - werden.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte: "Alle politischen Hürden sind beseitigt. Der Lissabon-Vertrag kann sehr rasch in Kraft treten, sofern auch das tschechische Verfassungsgericht zustimmt." Die Verfassungsrichter wollen am 3. November in Brünn (Brno) erneut beraten. Nach Einschätzung der französischen Delegation könnte der Vertrag bereits bereits am 1. Dezember in Kraft treten.

Diskussion über EU-Spitzenpersonal

Reinfeldt sagte, es sei noch nicht über die neuen Spitzenjobs gesprochen worden, die mit dem Lissabonvertrag geschaffen werden. Am Rande des Gipfels wurde aber deutlich, dass sich europäische Konservative und Sozialdemokraten auf Grundzüge eines Handels verständigt haben.

Der erste ständige EU-Ratspräsident, der die Gipfeltreffen leiten wird, soll demnach aus dem konservativen Lager kommen. Der EU- "Außenminister" soll ein Sozialdemokrat sein. Für den Präsidentenposten werden unter anderem der niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende oder der österreichische Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel gehandelt. Der britische Ex-Premier Tony Blair hat dem Vernehmen keine Chance mehr.

Blockade beim Klimaschutz

Eine schlechte Figur machte die Gipfelrunde beim Klimaschutz, wo die EU ihre globale Vorreiterrolle im Kampf gegen die Erderwärmung aufs Spiel setzt. Fünf Wochen vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen haben sich die Mitgliedstaaten wegen der Verteilung von Milliarden-Hilfen für die Entwicklungsländer überworfen.

Reinfeldt zeigte sich zuversichtlich, am Freitag noch zu einer Vereinbarung zu kommen. Deutschland, Frankreich und Italien hatten sich geweigert, konkrete Finanzierungsangebote für die armen Länder in der Welt auf den Tisch zu legen, wie Diplomaten sagten.

dpa