"Die Formel '… so wahr mir Gott helfe' macht uns Menschen bewusst, dass all unser Handeln und Bestreben fehlbar und begrenzt ist." Das schrieb die ostdeutsche Protestantin und CDU-Abgeordnete Angela Merkel, damals Frauenministerin, 1994. Die Münchener Initiative "Humanistische Aktion" hattte damals eine Umfrage an die deutschen Spitzenpolitiker gerichtet, wie diese religiöse Beteuerung im Amtseid zu verstehen sei und was er oder sie damit gemeint habe.
Der persönlichen Entscheidung überlassen
In dem Bewusstsein der eigenen Fehlbarkeit und Begrenztheit "muss es unser Ziel sein, nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln", so Angela Merkel damals weiter. Man darf davon ausgehen, dass sie dies auch jetzt, bei ihrer erneuten Vereidigung als Bundeskanzlerin, so meinte. Denn wie vor vier Jahren sprach die Pfarrerstochter und bekennende Christin Merkel auch diesmal die Formel - und die Mitglieder ihres Kabinetts taten es ihr alle gleich.
Das war nicht immer so. 2005 hatte die SPD-Justizministerin Brigitte Zypries auf die Gottes-Formel im Amtseid verzichtet; bei der Vereidigung der beiden rot-grünen Regierungen 1998 und 2002 ließen noch weit mehr Kabinettsmitglieder den Zusatz weg - darunter auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Das löste besonders 1998 Diskussionen aus, war aber völlig im Einklang mit dem Grundgesetz: "Der Eid kann auch ohne die religiöse Beteuerung geleistet werden", heißt es dort in Artikel 56.
Es bleibt also der persönlichen Entscheidung und dem Gewissen des jeweiligen Politikers überlassen, ob er die fünf Wort an den Amtseid anhängt oder nicht. Vollständig lautet dieser: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe."
Verstoß gegen Schwur-Verbot Jesu?
Dabei ist auch unter Christen umstritten, ob die Formel notwendig ist - oder möglicherweise gar gegen die Bergpredigt verstößt. "Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel (…) noch bei der Erde (…)", gebietet Jesus dort laut der Luther-Übersetzung. "Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber hinaus ist, das ist von Übel." Darauf berief sich nicht nur immer wieder Gerhard Schröder, sondern seinerzeit auch ein klar als evangelischer Christ profilierter Politiker: Jürgen Schmude. Auch er, der sich später von seinen politischen Ämtern zurückzog um sich ganz den kirchlichen zu widmen, hatte bei seinen Vereidigungen als Bundesminister 1976 und 1980 auf die religiöse Formel verzichtet.
Auch aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland ist die Formel nicht zwingend. So tagte ähnlich wie in diesem Jahr auch während des Regierungswechsels 1998, als die halbe Bundesregierung den Zusatz wegließ, die EKD-Synode. Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock wandte sich damals umgehend dagegen, darin ein Zeichen fehlender Gottesbeziehung zu sehen.
Konfessionen gleichmäßig im Kabinett vertreten
Unter den Ministern, die diesmal "So wahr mir Gott helfe" sprachen, sind auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (beide FDP), die sich doch weigerten, gegenüber dem epd ihre Konfession anzugeben.
Bei den übrigen Ministern ist ihre Kirchenzugehörigkeit bekannt. Dabei sind die beiden großen Konfessionen in der Regierung übrigens ausgewogen vertreten: Sechs Kabinettsmitglieder sind evangelisch (Brüderle, de Maizière, Pofalla, Schäuble, von der Leyen, Westerwelle), sieben katholisch (Aigner, Jung, Ramsauer, Rösler, Röttgen, Schavan, zu Guttenberg).
Freilich besteht auch keine Verpflichtung, intime persönliche Details offen zu legen - und dass manch einer die Frage nach seinem Glauben als solche Angelegenheit sieht, darauf deutete auch schon Leutheusser-Schnarrenbergers Antwort aus der bereits zitierten Umfrage 1994 hin. "Die Frage, ob ein Bundesminister auf die religiöse Formel (…) zurückgreift, ist eine höchstpersönliche Entscheidung, die (…) keiner öffentlichen Kommentierung oder Auslegung bedarf", ließ sie damals ihren Referenten antworten
Johannes Rau: Gottes Vergebungsbereitschaft macht innerlich frei
Für viele überzeugte Christen ist der Gottesbezug trotzdem ein Halt in ihrer Arbeit, der mehr als eine unaussprechliche innerliche Dimension hat. Eine der ausführlichsten und persönlichsten Antworten auf die Umfrage der "Humanistischen Aktion" gab seinerzeit der auch als Protestant profilierte Politiker Johannes Rau. Er schrieb, durch die Anrufung Gottes beim Amtseid bekräftige ein Christ zunächst einmal, dass er seine Pflichten gut und gewissenhaft zu erfüllen gedenke. "Das sollte allerdings selbstverständlich sein." Wesentlicher sei, dass der Amtsinhaber sein Bewusstsein zum Ausdruck bringe, "dass er auf die Hilfe Gottes für die Führung seines Amtes angewiesen ist". "Ohne den Segen Gottes", zitiert Rau der Umfrage zufolge die Bibel, "ist alles menschliche Tun vergebens."
Aber noch ein Drittes habe die Bitte um Gottes Hilfe zum Inhalt, so Rau weiter: Man dürfe auch Fehler machen. Der Gott des Neuen Testamentes "ist ein Gott der Vergebung und des 'Neu-Anfangen-Könnens'." Was nicht davon entbinde, die Konsequenzen für eigene Fehler zu tragen. Aber in letzter Instanz sei ein Mensch Gott verantwortlich, nicht den Menschen. "Das schafft für einen Christen ein großes Maß an innerer Freiheit bei der Ausübung des Amtes."
Ulrich Pontes ist Politik-Redakteur bei evangelisch.de