"Ein guter Tag für Land und Kirche"
Zwei Frauen sind heute in Spitzenämter gewählt worden: Angela Merkel und Margot Käßmann. Nicht wegen einer Quote, sondern weil sie die Besten sind. Ein Kommentar.
28.10.2009
Von Ursula Ott

Solche Tage gibt es wahrhaft nicht oft: Die evangelische Staatsbürgerin steht morgens auf und hat wenige Stunden später gleich zwei Chefinnen: eine Kanzlerin und eine weibliche Ratsvorsitzende. Und das Beste ist: Beide sind es schlicht deshalb geworden, weil sie derzeit die Besten in ihrer Riege sind. Nicht weil sie eine Quote erfüllen mussten oder auf einem Frauenticket gereist sind. Herzlichen Glückwunsch!

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Aber nicht nur für die Frauen in der Kirche und im Land ist dies ein guter Tag, sondern für alle evangelischen Christen. Ja, Margot Käßmann ist eine würdige Nachfolgerin für Wolfgang Huber, dessen Gesicht und Stimme den Protestantismus so entscheidend geprägt hat, mit seiner intellektuellen Brillianz, mit seiner schnellen Denke und klugen Spreche. Er hat seine Stimme zu vielen drängenden Fragen erhoben, und genau das traut man auch Margot Käßmann zu. Auch sie hat einen eigenen Stil, ist couragiert, beherzt und streitbar. Und macht eine gute Figur bei Anne Will wie bei Angela Merkel.

Authentische Persönlichkeit

Sie sei gerührt, sagte sie bei ihrer Antrittsrede, und es war mehr als eine Floskel. Klar hat sie auf diesen Augenblick jahrelang hin gearbeitet. Und dennoch: Für einen Moment wirkte sie so erschrocken, wie du und ich es auch gewesen wären: Ja, sie haben es wirklich getan – diese Frau gewählt, die so offen mit Zweifel und Scheitern umgegangen ist, die so sehr wie kein anderer kirchlicher Spitzenfunktionär das Private zum Politikum gemacht hat. Das hätte böse schief gehen können, für Konservative in der eigenen Kirche und bei den katholischen und islamischen Brüdern glich es einer Provokation. Aber sie hat es geschafft, die Brüche im Lebenslauf zu einem Teil ihrer authentischen, glaubwürdigen Persönlichkeit zu machen. Und wurde tatsächlich Queen of the Hearts.

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Und so müssen all jene, die oft zurecht lamentieren, der Fortschritt im Land sei eine Schnecke, zugeben: Das hätten sich Männer und Frauen beim Aufbruch der neuen Frauenbewegung in den 70er Jahren nicht träumen lassen, dass dies innerhalb einer Generation möglich wäre: Spitzenämter werden von einer kinderlosen Naturwissenschaftlerin und einer geschiedenen vierfachen Mutter bekleidet. Damit ist längst nicht alles geschafft. Aber allein diese Bilder in den Hauptnachrichten im Fernsehen entfalten ihre symbolische Kraft.

Mädchen und Jungs im Land sehen, beim Surfen durchs Netz oder abends in der Tagesschau: Ja, es geht. Wir kommen vor, alle beide, Männer wie Frauen. "Seid fröhlich in der Hoffnung und beharrlich im Gebet", zitierte die neue Ratsvorsitzende ihre Lieblings-Bibelstelle. Beharrlichkeit wird ihr nach diesem Wahlmarathon keiner absprechen. Wenn sie dabei auch noch fröhlich bleibt – das wäre wunderbar.
 


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de. www.ursulaott.de