Seelöwen-Spektakel in San Francisco
Das Gebrüll ist schon von weitem zu hören. Folgt man dann noch dem Gestank alter Fischreste, stößt man schnell auf die riesige Horde von Seelöwen auf den Bootsstegen vor Pier 39, einem beliebten Ausflugsziel in San Franciscos Fisherman's Wharf.
27.10.2009
Von Barbara Munker

Eine regelrechte Invasion der Meeressäuger lockt seit wenigen Wochen täglich tausende Touristen an das Hafenbecken. Statt der gewöhnlich wenigen hundert Seelöwen, die sich zur Freude der Schaulustigen in der Sonne aalen, sind es jetzt mehr als 1.500 Tiere, die sich Flosse an Flosse auf den schwankenden Holzstegen drängen. "Wir haben schnell sechs neue Docks aufgestellt, weil es einfach zu eng wurde", erzählt Sheila Chandor, langjährige Hafenmanagerin von Pier 39.

Rätsel für die Meeresbiologen

Die Geschäftsleute und Betreiber des Ausflugs-Piers freuen sich über die kostenlose Attraktion. Chandor sagt, die lautstarke, gesellige Meute sei eine "Ausnahmeerscheinung", die sich keiner richtig erklären könne. "Die denken vielleicht auch, dass San Francisco so schön ist", meint der Bayreuther Bernd Kampede schmunzelnd. Mit Tochter Julia und hunderten anderen Touristen staunt der Urlauber über die Show, die sich nur wenige Meter entfernt abspielt. "Ich wusste schon, dass es hier Seelöwen gibt, aber so eine Masse hätte ich nicht erwartet", meint der 62-Jährige.

Die Invasion der massigen Tiere gibt auch den Meeresbiologen Rätsel auf. "Wir wissen nicht, warum es so viele sind", gesteht Jim Oswald vom Marine Mammal Center, einer Klinik für Meeressäuger in Sausalito. Vielleicht folgten die hungrigen Tiere einem Fischschwarm, vielleicht sind es Umweltfaktoren, die niemand kennt. Auf alle Fälle ist es bequem. Die schwimmenden Docks sinken und steigen mit Ebbe und Flut, die Sonnenanbeter können sich stundenlang im Trockenen aalen. Das entdeckten die ersten Seelöwen schon vor 20 Jahren, als erst einige Dutzend, dann mehrere Hundert das Ausflugsziel in Beschlag nahmen.

Hollywood könnte es nicht witziger inszenieren. Die bis zu 400 Kilogramm schweren Männchen und ihre schlankeren, aber nicht gerade zartbesaiteten Begleiterinnen, ziehen eine wahre Schau ab: Sie rülpsen und übergeben sich, kämpfen brüllend um die besten Plätze, stoßen Artgenossen brutal ins Wasser und wälzen sich übereinander hinweg. "Das habe ich mir heute schon dreimal angeschaut", sagt die Engländerin Georgina Barry. Dabei rümpft die Urlauberin leicht die Nase. "Die Anwohner tun mir ein bisschen leid, der Gestank ist auf Dauer unerträglich."

Die Plagegeister genießen Artenschutz

Die Touristenattraktion ist für andere eine echte Plage. Immer mehr Schwimmer in der Bucht von San Francisco klagen über aggressive Seelöwen, die ihnen nachstellen. Für Fischer sind sie Konkurrenten oder gar Diebe, die Fische aus den Netzen stehlen. Mit ihrem massigen Körper drücken sie Stege ein und rammen Löcher in die Boote. Fischer auf einem Nachbarsteg von Pier 39 versuchen die aufdringlichen Besucher mit Netzen abzuhalten. Doch härteres Durchgreifen ist nicht erlaubt. Kalifornische Seelöwen genießen Artenschutz und dürfen laut Gesetz nicht gewaltsam vertrieben werden.

Die Betreiber von Pier 39 haben eigens einen Wachmann angeheuert, der die Seelöwen in Schach halten soll. Er patrouilliert auf den verbliebenen Bootsstegen, die die Meeressäuger als ganze Horde noch nicht gekapert haben. Mit einem Wasserschlauch lassen sich einzelne "Stegbesetzer" schnell vertreiben. "Kaum zu glauben, aber sie mögen wirklich kein Wasser, das aus einem Schlauch kommt", erklärt Hafenmeisterin Sheila Chandor. "Ohne dass man sie sehr belästigen muss, rollen sie einfach vom Steg."

dpa