Bei Quelle ist die Entlassungswelle angerollt
Bei der Bundesagentur für Arbeit hat der Massenansturm von Quelle-Arbeitslosen begonnen. Bis zu 800 Beschäftigte wurden allein am Montag in einem eigens bei Quelle eingerichteten "Mini-Arbeitsamt" in Nürnberg registriert und beraten.

Bis Ende der Woche müssen rund 4000 Menschen betreut werden, die nach dem endgültigen Aus des Versandhändlers ihren Arbeitsplatz verlieren. "Das ist die größte Entlassungswelle innerhalb so kurzer Zeit in der Geschichte der Bundesagentur für Arbeit", sagte der Chef der bayerischen Regionaldirektion, Rainer Bomba.

Die Arbeitsagentur hat in den Räumen des Quelle-Versandzentrums in Nürnberg eine eigene Außenstelle eingerichtet und dort rund 150 Mitarbeiter aus ganz Bayern zusammengezogen. Sie sollen die Arbeitslosmeldungen entgegennehmen und erste Beratungs- und Vermittlungsgespräche führen. "Wir haben die Parole ausgegeben: Keine Hektik, keine Panik", sagte Bomba.

Das Rote Kreuz und mehrere Psychologen waren vor Ort im Einsatz, um den geschockten Quelle-Mitarbeitern helfen zu können. Auch die Kirchen hatten Hilfe organisiert. Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) sagte, bei der Krisenambulanz sei "vom einfachen Sich-Aussprechen bis zum selbstmordgefährdeten Fall" alles dabei. Die Stadt richtete auch eine Wohngeld- und Wohnungsberatung ein. In etlichen Familien sind mehrere betroffen.

"Den Menschen ist zwei Monate vor Weihnachten der Boden unter den Füßen weggezogen worden", sagte Bomba. Nun müsse schnell und pragmatisch geholfen werden. Er berichtete von einer Welle der Solidarität für die Quelle-Beschäftigten. In zahllosen Mails und Briefen würden Jobs und Spenden angeboten. Allein am Wochenende habe die Arbeitsagentur 110 zusätzliche Job-Angebote erhalten. Im Raum Nürnberg gebe es 10.000 offene Stellen: "Der Arbeitsmarkt nimmt derzeit noch auf."

Schwierigkeiten bei Geringqualifizierten

Dennoch werde es besonders für die gering qualifizierten Beschäftigten über 50 Jahre schwierig, einen neuen Job zu finden, räumte Bomba ein. Das werde viele Monate dauern. Gut sieht es nach seinen Worten dagegen für die rund 150 Quelle-Auszubildenden aus. Ein Teil von ihnen könne seine Prüfungen noch machen, ein anderer Teil sei bereits weitervermittelt worden.

Unterdessen will Quelle-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg die lukrativen Teile des Versandunternehmens möglichst schnell zu Geld machen. "Eine lange Hängepartie können wir uns nicht leisten", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ"). Sein Sprecher Thomas Schulz ergänzte, noch in dieser Woche sollten Gespräche mit rund einem Dutzend Interessenten beginnen. Als lukrativ gelten vor allem das Quelle-Auslandsgeschäft, der Einkaufs-TV-Sender HSE24 und der Technische Kundendienst Profectis.

Insolvenzverwalter Görg sagte der "FAZ", beim Verkauf der Quelle-Filetstücke brächten sich Interessenten aus dem In- und Ausland ins Spiel, "die teilweise auch auf Schnäppchen hoffen". "Wir sprechen mit ernsthaft interessierten Bietern, die ihr Konzept auch finanzieren können." Mehrere Investoren interessierten sich für die Quelle- Auslandsgesellschaften in Osteuropa, Österreich und der Schweiz. Drei potenzielle Bieter hätten schon Zugang zu den Daten.

Osteuropa-Töchtern droht Kollaps

Er wolle versuchen, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Nach einem Zeitungsbericht droht den osteuropäischen Tochtergesellschaften der insolventen Versandgruppe aber möglicherweise der Kollaps. Wie "Die Welt" berichtete, sind die Gesellschaften nur noch eingeschränkt lieferfähig. Folglich komme immer weniger Geld in die Kassen.

Görg räumte Fehleinschätzungen beim Quelle-Insolvenzverfahren ein. "Wenn man ein Gut für verkäuflich hält, das aber misslingt, ist das klar eine Fehleinschätzung", sagte er der "FAZ". "Ich habe Erwartungen gehegt, die ich nicht erfüllen konnte." Er habe sich bei den Mitarbeitern in Nürnberg entschuldigt, "obwohl ich keine Schuld empfinde", sagte der Insolvenzverwalter. "Dass Quelle abgewickelt wird, hat mich persönlich sehr enttäuscht und ist meine bislang schwierigste Erfahrung gewesen."

Besser als bei Quelle schätzt Görg die Aussichten für Karstadt ein. "Das Geschäft ist positiv und liegt über Plan." Für Karstadt gebe es Interessenten aus dem In- und Ausland. Erst müssten aber die Eckpunkte des Sanierungskonzepts stehen. Er hoffe, noch vor Weihnachten Klarheit über das Insolvenzplanverfahren zu haben. "Dann kann auch der förmliche Verkaufsprozess beginnen."

dpa