Während die Suche nach einem Investor bei Primondo mit Quelle als Flaggschiff endgültig gescheitert ist, steht die ebenfalls insolvente Arcandor-Tochter Karstadt deutlich besser da. Dort beginnen am Dienstag Verhandlungen über Einsparungen bei den Personalkosten.
Beim Verkauf einzelner gewinnbringender Gesellschaften der Primondo-Gruppe bekämen die Gläubiger am Ende mehr Geld, erläuterte Rösch. "Primondo als Ganzes zu verkaufen bedeutet nämlich, dass all die Perlen mit Quelle zusammen möglicherweise einen negativen Kaufpreis ergeben hätten." Deshalb stelle sich die Frage, ob der Insolvenzprozess "mit der nötigen Energie betrieben wurde oder ob es einen Strategiewechsel gab, weil man ohne Quelle eine höhere Insolvenzmasse bekommt".
"Mitarbeiterschutz vor Gläubigerschutz"
Als Konsequenz aus dem "völlig intransparenten" Ablauf forderte Rösch eine Änderung des Insolvenzrechts: "Es dürfen nicht die Interessen der Gläubiger, sondern es müssen die Interessen der Arbeitnehmer im Vordergrund stehen." Auch der Nürnberger DGB- Vorsitzende Stephan Doll forderte eine Änderung des Insolvenzrechts. "Mitarbeiterschutz muss vor Gläubigerschutz gehen", sagte Doll der Deutschen Presse-Agentur dpa. Im Insolvenzverfahren hätten die Beschäftigten keine Rolle gespielt.
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Wenn die Rettung eines Unternehmens nicht möglich sei, müssten auch die Mitarbeiter von der Insolvenzmasse profitieren, nicht nur Banken und Gläubiger, forderte Doll. Mit dem Geld müssten Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen bezahlt werden. "Bei Quelle stehen die Menschen nach 30 Jahren Arbeit von heute auf morgen auf der Straße und bekommen keinen Cent. Das ist ein Skandal."
Eigenes Arbeitsamt öffnet
Rösch forderte, für die betroffenen Mitarbeiter eine notfalls öffentlich finanzierte Auffanggesellschaft einzurichten. Bei der Arcandor-Versandsparte Primondo fallen nach dem endgültigen Aus mehrere Tausend der 10 500 Arbeitsplätze weg.
Die ausschließlich für Quelle-Mitarbeiter eingerichtete Arbeitsagentur nimmt am Montag in Nürnberg ihre Arbeit auf. "Wir haben alles vorbereitet, dass wir ab Montag ein Mini-Arbeitsamt in den Räumlichkeiten der Quelle einrichten können", sagte der zuständige Geschäftsführer der Regionaldirektion für Arbeit, Klaus Beier. Rund 150 Behördenmitarbeiter aus ganz Bayern wurden zusammengezogen, um sich direkt um die betroffenen Quelle- Beschäftigten zu kümmern. In der Region verlieren durch die Insolvenz des traditionsreichen Versandhändlers voraussichtlich rund 4000 Menschen ihren Job, 850 haben die Kündigung bereits in der Hand.
Auch Pauli kritisiert
Derzeit gebe es viele Fragen zur Abwicklung von Quelle, etwa zur Organisation des Abverkaufs oder der Weiterbeschäftigung in den Call- Centern, sagte Rösch. Außerdem könne Quelle nicht mit einem Schlag aufgelöst werden, ohne die profitablen Auslandsgeschäfte zu gefährden: "Bis zur Ablösung des Auslands müssen diese Prozesse hier in Fürth weitergeführt werden." Bei der Trennung von Quelle und Neckermann habe dieser Prozess etwa zwei Jahre gedauert.
Die Vorsitzende der Freien Union, Gabriele Pauli, warf der bayerischen Staatsregierung unterdessen eine "Scheinhilfsaktion" vor. "Es war Wahlkalkül, das Scheitern der Insolvenzverhandlungen erst nach der Bundestagswahl bekanntzugeben. Die beteiligten Banken und Politiker haben sich in Wahrheit nie ernsthaft um eine Rettung von Quelle bemüht", kritisierte Pauli.
Verhandlungen bei Karstadt
Nach den gescheiterten Investorengesprächen bei Quelle stehen nun bei der Schwester Karstadt Verhandlungen an. Betriebsratschef Hellmut Patzelt wies bereits Forderungen des Insolvenzverwalters nach weiteren Einsparungen bei den Arbeitnehmern zurück. "Wir verhandeln maximal um die Größenordnungen, die wir 2008 schon mal hatten", sagte Patzelt dem "Tagesspiegel" (Sonntag). Mit dem früheren Konzernchef Thomas Midelhoff hatte Patzelt im vergangenen Jahr Einsparungen bei den Personalkosten von 115 Millionen Euro pro Jahr ausgehandelt.
Diese Einigung wurde mit der Insolvenz im Juni 2009 wirkungslos. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg fordert Einschnitte von 150 Millionen Euro, aufgeteilt auf drei Jahre. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" arbeiten die Warenhäuser trotz der Insolvenz profitabel. Görgs Karstadt-Beauftragter Rolf Weidmann zeigte sich zuversichtlich, die Arcandor-Warenhaussparte im zweiten Quartal 2010 als Ganzes verkaufen zu können.