Wehrdienst könnte noch kürzer werden
Wie geht es weiter mit der Wehrpflicht? Union und FDP planen nach Agenturinformationen offenbar, die Wehrpflicht zu erhalten, den Wehrdienst aber von neun auf sechs Monate zu verkürzen. Wie das neue Modell letztlich aussehen wird, ist aber noch nicht endgültig klar. Der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg kann sich jedenfalls auf eine Debatte einstellen.
23.10.2009
Von Hanno Terbuyken

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich im Juli öffentlich zur Wehrpflicht bekannt. Damit galt schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen die Forderung der FDP nach einer "Aussetzung" der Wehrpflicht als nicht verhandelbar. Allerdings teilen CDU-Politiker die Kritik der Freien Demokraten, dass angesichts sinkender Einberufungszahlen keine Wehrgerechtigkeit mehr bestehe. Durch eine Verkürzung der Wehrdienstzeit von neun auf sechs Monate könnten wieder mehr Männer rekrutiert werden, hieß es. FDP-Unterhändler Werner Hoyer sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Das Problem der Wehrungerechtigkeit wird damit entschärft. Denn wir können ein Drittel mehr junge Männer rekrutieren." Er sprach von einem "vertretbaren Kompromiss".

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Dabei gibt es inzwischen deutlich mehr Verweigerer als Wehrdienstleistende. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden im vorigen Jahr 456.000 Männer zwischen 18 und 23 Jahren gemustert und 68.270 von ihnen einberufen. Dagegen stehen die rund 100.000 Männer, die nach Angaben der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (KDV) jährlich als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden. Im Jahresdurchschnitt 2008 waren 65.000 Zivildienststellen besetzt, sagte Geschäftsführer Peter Tobiassen gegenüber dpa.

Freiwillige Dienste besser fördern

Eine Verkürzung des Wehrdienstes zöge auch die Verkürzung des Zivildienstes nach sich. Befürchtungen von Politikern, dass damit soziale Dienste Personal verlieren und Leistungen gestrichen würden, teilte Tobiassen aber nicht: "Der Zivildienst wird nicht zusammenbrechen", sagte er. Außerdem könne die Bundesregierung die Einsparungen der Personalkosten dafür nutzen, stärker das freiwillige soziale Jahr zu fördern. Hier gebe es derzeit etwa drei Bewerbungen von Männern und Frauen auf eine Stelle. Allerdings stelle sich bei einem Wehrdienst von nur noch sechs Monaten die Sinnfrage, sagte Tobiassen. Die Männer würden dann nur noch ausgebildet, hätten aber gar keine Praxis mehr. Die KDV ist für die Abschaffung der Wehrpflicht.

"Was das für den Zivildienst bedeutet, ist noch nicht klar", sagte Walter Herrenbrück, Bundesvorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer (EAK), gegenüber evangelisch.de. Auch die EAK ist für die Abschaffung der Wehrpflicht. "Für uns ist die Alternative der freiwillige Dienst, wie es ihn ja auch schon gibt", sagte Herrenbrück und schloss sich damit der Forderung des KDV an, die freiwilligen Dienste stärker zu fördern. Eine auf sechs Monate verkürzte Dienstzeit sei auch gerade im sozialen Bereich schwierig, wenn es um die Arbeit mit Menschen geht, meinte Herrenbrück.

Details werden noch verhandelt

Das Verteidigungsministerium bestreitet, dass es die Wehrungerechtigkeit gibt, von der die neue Regierung spricht. Es beruft sich unter anderem auf die inzwischen verschärften Einberufungskriterien. Danach wird niemand mehr eingezogen, der die ersten beiden Tauglichkeitsstufen nicht erfüllt. Die Bundeswehr hat rund 250.000 Soldaten, davon 35.000 Stellen für Wehrdienstleistende und 25.000 Stellen für freiwillig länger Dienende. Die Zahl der Wehrdienstleistenden sinkt: 1992 absolvierten noch etwa 200.000 Männer Wehrdienst, deutlich mehr als die knapp 70.000, die die Bundeswehr im vergangenen Jahr eingezogen hat.

Auf Wunsch der Union sollte der Wehrdienst künftig so gegliedert werden: Drei Monate Grundausbildung, zwei Monate Spezialausbildung und einen Monat Fachdienst in den Einheiten. Grundsätzlich sollen die Wehrdienstleistenden einen Monat Urlaub haben. Strittig war zunächst noch, ob dieser Monat in die Dauer des Wehrdienstes einbezogen wird. Dann würde der Wehrdienst formal insgesamt sieben Monate, die reine Ausbildung aber sechs Monate dauern. Die FDP will sechs Monate inklusive Urlaub.

Bundeswehrverband warnt vor "Einstieg in den Ausstieg"

Der Bundeswehrverband warnte vor einem "Einstieg in den Ausstieg aus der Wehrpflicht". Zwar würde die Verkürzung des Wehrdienstes von neun auf sechs Monate einen "Gammeldienst" verhindern, erklärte Verbandschef Oberst Ulrich Kirsch. Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Wehrpflicht mit einer so kurzen Wehrdienstzeit dann nicht bald abgeschafft werde. Ferner müsse die Ausbildung der jungen Männer attraktiver gestaltet werden.

Einer der möglichen Hintergründe der Wehrpflicht-Debatte ist die steigende Zahl der deutschen Soldaten im Ausland. Auf der Homepage der Bundeswehr heißt es ausdrücklich: "Als Grundwehrdienstleistender müssen Sie nicht an Auslandseinsätzen teilnehmen. [...] Eine Teilnahme am Auslandseinsatz erfordert in der Regel die Verpflichtung zum freiwilligen Wehrdienst mit einer zusätzlichen Wehrdienstdauer von mind. 1 und max. 14 Monaten." Die Bundeswehr ist zur Zeit mit knapp 7.500 Soldaten im Ausland, der Großteil davon ist in Afghanistan und im Kosovo. Die Anforderungen an Ausbildung und Betreuung von Berufssoldaten im Ausland und Wehrdienstleistenden unterscheiden sich deutlich; eine Berufsarmee ohne Wehrpflichtige könnte den aktuellen Aufgaben der Bundeswehr, die mit der klassischen Landesverteidigung nicht mehr viel zu tun haben, besser gewachsen sein, das ist ein Argument der Befürworter einer Berufsarmee. Wenn die geplante Verkürzung des Wehrdienstes so umgesetzt wird wie jetzt angedacht, wird die Debatte um seine Abschaffung nicht mehr lange auf sich warten lassen.

mit Material von dpa

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de in Frankfurt.