Quelle-Azubis: Mit 18 zum ersten Mal arbeitslos
Nach dem Aus von Quelle sind bundesweit 200 Auszubildende betroffen - sind stehen plötzlich ohne Ausbilder da. Andere Unternehmen in der Republik haben Hilfe zugesagt. Dennoch zeigen sich in Nürnberg nicht alle Azubis zuversichtlich, woanders unterzukommen. Die Bundesagentur für Arbeit will ihnen Mut machen.

"Ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass ich mich mit 18 das erste Mal arbeitslos melden muss." Ungläubig schüttelt Annika Wagner den Kopf. Vor knapp drei Jahren hat sie bei dem Versandhändler Quelle eine Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen - nach dessen Aus steht sie schon bald auf der Straße.

Auch die Info-Veranstaltung, die am Freitag von der Arbeitsagentur in Fürth für die rund 150 Azubis angeboten wird, kann nur wenig Zuversicht bei ihr wecken. 20 Berater klären die enttäuschten Lehrlinge an diesem Morgen über offene Stellen auf, Einzelgespräche sind dabei ebenso möglich wie Gruppenberatungen. In den sechs Räumen drängen sich viele Lehrlinge - vom Mechatroniker über die Betriebstextilwirtin bis hin zum Fotografen.

"Ich habe Angst. Hast du schon mal geschaut, was es so für Jobangebote gibt?", fragt Wagner ihre gleichaltrige Kollegin Lisa Giese. Diese hat nach einem Beratungsgespräch schon mal eine Entscheidung getroffen: "Ich werde mich für den Anfang erstmal arbeitslos melden", sagt die blonde junge Frau. Dass sie für die letzten drei Monate ihrer Ausbildung noch einen anderen Arbeitsplatz findet, glaubt sie kaum. Und selbst wenn ihre Lehrzeit verkürzt werde: "Dann werde ich zusammen mit den paar tausend Anderen auf den Arbeitsmarkt geworfen", stellt Giese fest und ihre Kollegin ergänzt: "Und die haben viel mehr Berufserfahrung."

Die ersten Firmen nach Jobangeboten abtelefoniert hat dagegen schon die 20-jährige Julia Reeber. Sie ist bei Quelle im zweiten Lehrjahr und studiert zugleich an einer Hochschule Handels- und Vertriebsmanagement. "Jetzt zum Fotografen und dann Bewerbungen losschicken", sagt sie zuversichtlich. Den ersten Schock habe sie inzwischen überwunden.

Andere Unternehmen wollen Azubis übernehmen

Optimistische Stimmung will auch die Arbeitsagentur verbreiten. "Ich bin zuversichtlich, dass viele der Auszubildenden woanders unterkommen", sagt der Teamleiter der Berufsberatung, Peter Haas. Schon kurz nachdem klar war, dass es für Quelle keine Zukunft geben würde, hatte unter anderem der Hamburger Handels- und Dienstleistungskonzern Otto erklärt, einigen "mobilen Auszubildenden" ein Übernahme-Angebot zu unterbreiten. Hoffnungen richten sich auf den zu Otto gehörenden Baur-Versand im oberfränkischen Burgkunstadt, der am Freitag bestätigte, dass er Quelle-Azubis übernehmen werde - die genaue Anzahl stehe aber noch nicht fest.

Bundesweit sind von dem Aus bei Quelle mehr als 200 Lehrlinge betroffen. Haas appellierte an die Betroffenen, sich in der jetzigen Situation flexibel zu zeigen und auch zu kleineren, weniger namhaften Unternehmen zu gehen. "Es ist wichtig, dass diese jungen Leute jetzt den Hype nutzen", erklärt der Leiter des Fachbereichs Berufsausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg, Udo Göttemann. In den vergangenen Tagen hätten sich viele Unternehmen mit der IHK in Verbindung gesetzt und offene Stellen gemeldet. "Und es werden stündlich mehr", sagt Göttemann zuversichtlich.

Doch neben den Stellenangeboten verfolgt die Veranstaltung an diesem Morgen noch ein weiteres Ziel: Sie soll die jungen Frauen und Männer über "Leistungsansprüche" wie Arbeitslosengeld informieren. Experte hierin ist Peter Bernhardt von der Arbeitsagentur: "Ich hoffe, dass sie diese Ansprüche nicht in Anspruch nehmen müssen", sagt er zu 100 Auszubildenden, die dicht gedrängt im Foyer sitzen. Für einige gab es keine Stühle mehr, sie lehnen an der Wand. Als zum ersten Mal der Begriff "Hartz-IV" fällt, ist es, als würde die Temperatur im Raum spürbar sinken. Viele Lehrlinge tauschen verzweifelte Blicke aus. Und ein Auszubildender sagt nur: "Das sind ja trübe Aussichten."

dpa