Extremismus: "Unternehmen brauchen Druck"
Internet-Unternehmen scheuen nicht davor zurück, Geschäfte mit Rechtsextremen zu machen. Eine Selbstregulierung funktioniert nicht mehr.
23.10.2009
Von Henrik Schmitz

Bei Google darf jeder werben, sogar die rechtsextreme NPD, wie nun die Wochenzeitung "Der Freitag" herausfand. "Kostenlos jeden Samstag per E-Mail objektiv über die NPD informieren" heißt es in einer NPD-Werbung, die Google über seinen Dienst AdSense unter anderem bei "Welt Online" platzierte. Google sieht darin kein Problem:  Die Anzeige der Partei sowie die beworbene Webseite zeigten schließlich keine verbotenen Inhalte, hieß es in einem Statement. Und außerdem stehe die NPD in Deutschland ja auf jedem Wahlzettel.

Das Google aber ausgerechnet bei der NPD ein Kreuzchen setzt, ist ärgerlich. Das Unternehmen distanziere sich klar von den Inhalten der NPD und setze sich aktiv für mehr Toleranz ein, bemüßigte sich Google zu erklären. Wie genau diese Distanzierung stattfindet, fragt sich der verwunderte Internetnutzer aber schon? Wenn man mit der NPD Geschäfte macht, kann von Distanz eigentlich keine Rede sein. Google, das sich gern das Image des ethisch verantwortungsbewussten Unternehmens gibt, entlarvt sich selbst: Wie fast immer gilt auch beim Suchmaschinenbetreiber das Motto "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral". Letztere kommt halt in der Regel meist ein wenig zu kurz.

Google ist kein Einzelfall. Erst vor kurzem machte der Internethändler Amazon negative Schlagzeilen, weil dort Bücher zu kaufen waren, die man ansonsten nur in rechtsextremen Szeneläden findet. "Amazon ist ein Händler und keine Regulierungsinstitution", erklärte das Unternehmen dazu im Juli.

Aufforderung an die Politik

Das stimmt. Weder Amazon noch Google sind dafür verantwortlich, dass es Rechtsextremismus gibt. Und dass die NPD eine zugelassene Partei in Deutschland ist, stimmt ebenfalls. Der Fall Google ist zumindest in diesem Punkt durchaus eine Aufforderung an die Politik, über einen erneuten Verbotsantrag nachzudenken. Und doch ist nicht einzusehen, dass sich Großkonzerne wie Google und Amazon aus jeder Verantwortung verabschieden. Nicht nur bei den Banken muss man eine Verlotterung der Sitten feststellen.

Google und Amazon sind anonyme Konzerne. Ihnen fehlt so etwas wie eine natürliche Kontrolle. Der Buchhändler um die Ecke könnte es sich gar nicht leisten, ein Buch antisemitischen Inhalts ins Regal zu stellen, die Kunden würden sich entsetzt abwenden. Und bei Amazon? Dort gibt es kein Regal, in dem der Kunde zufällig über einen Titel stolpern könnte. Wer also nicht gezielt bei Amazon nach rechtsextremen Büchern sucht, findet sie auch nicht und kann sich auch nicht darüber ärgern. Das macht es dem Unternehmen leicht, mit Waren äußerst zweifelhaften Inhalts Geschäfte zu machen.

Im Falle Googles zeigt sich wie problematisch es sein kann, dass das Unternehmen inzwischen auch den Anzeigenmarkt beherrscht, der bislang eine Domäne der Verlage war. Würden Sie Ihre Heimatzeitung noch kaufen, wenn dort für die NPD geworben würde? Vermutlich nein - und deshalb gab es diese Werbung dort auch nicht. Im Internet greifen diese natürlichen Regulierungsmechanismen nicht mehr.

Unternehmen geben sich gern das Image "gut" zu sein. Wenn es den Geschäften dient, tun Unternehmen manchmal auch Gutes. Unternehmen an sich sind aber nicht gut. Ihre Aufgabe ist es nicht, die Welt zu verbessern, sondern Profit zu machen.  Je anonymer und größer Unternehmen und ihre Strukturen werden, desto größer wird die Gefahr, dass Regeln außer Kraft gesetzt werden, die bislang im Sinne eines gesellschaftlichen Zusammenlebens gegolten haben. Dafür können Unternehmen ebenfalls nichts, sie passen sich dem an, was ihnen vorgegeben wird. Aber gerade deshalb wäre es Aufgabe der Gesellschaft und der Politik Vorgaben dort zu setzen, wo natürliche Regulierung nicht mehr funktioniert. Das hat nichts mit Zensur zu tun, sondern mit Anstand, Verantwortung und Gerechtigkeit. Unternehmen brauchen Gewinne, sonst könnten sie nicht existieren. Sie brauchen aber auch Druck, sonst kann eine Gesellschaft nicht existieren, die in Sachen Moral noch einige Mindestanforderungen erfüllen will.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de

Basis des Kommentars ist eine Recherche der Wochenzeitung "Der Freitag".