Koalition einigt sich in wesentlichen Punkten
Union und FDP haben sich trotz schwieriger Verhandlungen über ihren Koalitionsvertrag in der Nacht zum Freitag in wesentlichen Streit-Punkten geeinigt. CSU-Chef Horst Seehofer bestätigte am frühen Morgen nach Ende der Gesprächsrunde in Berlin, dass sich die künftigen Koalitionäre unter anderem auf eine Regelung für den Gesundheitsfonds verständigen konnten. Genauere Angaben machte er nicht. Zuvor hatten sich Union und FDP bereits bei der Bildung geeinigt.

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Die Deutsche Presse-Agentur dpa meldete unter Berufung auf Kreise der Koalitionspartner sogar, dass alle inhaltlichen Fragen des Koalitionsvertrags grundsätzlich geklärt seien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hätten bei einer nächtlichen Sitzung eine entsprechende Einigung erzielt - Gesprächsbedarf gebe es nur noch in Einzelfragen bei Gesundheit und Steuern. Die generelle Verabredung sehe aber so aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen längerfristig wieder einen Teil der Beiträge selbst erheben können. Die Kassen würden also wieder Beitragsautonomie zurückgewinnen, was weitreichende Änderungen am Gesundheitsfonds bedeuten würde.

Die Besetzung der Ministerposten sei noch nicht abgeschlossen, hieß es am Freitagvormittag in Berlin weiter. Die Gespräche mit den Kandidaten liefen. Das abschließende Personaltableau hängt vor allem davon ab, wer neuer Finanzminister wird.

Drei Milliarden Euro mehr für die Bildung

Zur Einigung beim Gesundheitsfonds wurden keine Inhalte genannt. Die beiden Verhandlungsführer, die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), wollen im Laufe des Vormittages das Ergebnis vorstellen.

Eine Einigung gab es auch bei Bildung und Forschung. Hier sollen jährlich drei Milliarden Euro mehr investiert werden, um das vor zwölf Monaten zwischen Bund und Ländern verabredete Ziel zu erreichen, zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes für diesen Sektor auszugeben. Bildung sei "das Thema" der Zukunft, sagte Unions- Fraktionschef Volker Kauder. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte der dpa, die "Bildungsrepublik" werde ein zentrales Ziel der Koalition. Dazu gehörten auch Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse und ein Bildungssystem, das Mobilität fördere.

Die Verhandlungen waren dem Vernehmen nach am Donnerstag insgesamt schwierig verlaufen. Die künftige schwarz-gelbe Koalition verzichtete nach heftiger Kritik zumindest für dieses Jahr auf ihren umstrittenen "Schattenhaushalt". Die krisenbedingten Milliarden-Lücken bei Arbeits- und Krankenversicherung - etwa 20 Milliarden Euro - sollen nun 2010 mit Steuermitteln geschlossen werden. Damit wird aber auch der Spielraum für die versprochenen Steuersenkungen kleiner.

Auch in anderen Punkten kamen die Koalitionsverhandlungen nur mühsam voran. Die wichtigsten Punkte vom Donnerstag:

HAUSHALT: Der geplante Nachtragsetat für 2009 samt Sondervermögen wurde gekippt, weil er wohl gegen das Grundgesetz verstoßen hätte. Wahrscheinlich gibt es aber im nächsten Jahr ein Sondervermögen, damit die Beiträge stabil bleiben können. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: "Damit spannen wir einen Schirm auf zum Schutz der Arbeitnehmer in der Krise." 16 Milliarden Euro sollen als Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit gehen, etwa 4 Milliarden als Darlehen an die gesetzlichen Krankenkassen.

GEBÜHREN: Kommunale Unternehmen sollen künftig genauso besteuert werden wie private Anbieter. Das geht aus dem der dpa vorliegenden Entwurf für den Koalitionsvertrag hervor. Der Mieterbund fürchtet deshalb pro Haushalt Mehrkosten von jährlich 150 Euro, wenn die Unternehmen die Mehrkosten etwa für Müll und Abwasser an die Bürger weitergeben. Die neuen Koalitionäre widersprachen indessen heftig.

WEHRPFLICHT: Die Dauer des Wehrdienstes wird voraussichtlich zum 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate verkürzt. Die Fachleute von CDU, CSU und FDP einigten sich darauf, die Wehrpflicht für junge Männer zu überprüfen, aber grundsätzlich bestehenzulassen. Offiziell bekanntgegeben wurde aber nichts.

STEUERN: Unternehmen können sich auf schnelle Entlastungen einstellen. Teile der seit 2008 geltenden schwarz-roten Unternehmenssteuerreform sollen korrigiert und "krisenverschärfende Maßnahmen" für internationale Konzerne sowie Mittelstandsfirmen abgeschafft werden. Die Änderungen könnten den Staat bis 2013 nach früheren Berechnungen bis zu 14 Milliarden Euro kosten.

MINDESTLÖHNE: Neue Branchen-Mindestlöhne wollen Union und FDP nur noch im beiderseitigem Einvernehmen zulassen. Praktisch bedeutet dies, dass es keine neuen gesetzlichen Untergrenzen geben wird. Die bestehenden Mindestlöhne sollen überprüft werden. Geplant ist aber ein gesetzliches Verbot sittenwidriger Löhne.

ATOMMÜLL: Das niedersächsische Gorleben soll weiter als Endlager- Standort geprüft werden, während die Endlager Asse II und Morsleben geschlossen werden.

dpa