Presserat: Rekordwert an Leserbeschwerden
Der Deutsche Presserat verzeichnet in diesem Jahr einen Rekordwert an Leserbeschwerden. Seit Jahresanfang gingen bereits 1.030 Beschwerden über Berichterstattungen ein, sagte der Sprecher des Presserats, Manfred Protze, am Donnerstag in Berlin. Für das gesamte Jahr 2009 rechnet das Selbstkontrollorgan der Presse mit rund 1.200 Eingaben. Im vergangenen Jahr gab es dagegen nur 729 Beschwerden.

Das Gremium führt diesen Höchststand darauf zurück, dass sich Mediennutzer seit Januar dieses Jahres auch über journalistische Beiträge im Internet beschweren können. Zudem haben Leser die Möglichkeit, ihre Beschwerden zu möglichen presseethischen Verstößen auch online auf der Homepage des Presserats abzugeben. "Anders als im vergangenen Jahr müssen die Leser heute keinen Brief mehr schreiben. Der geringere Aufwand ist auch ein Grund für die gestiegene Beschwerdezahl", sagte Protze.

Inhaltlicher Schwerpunkt der Nutzerkritik war in diesem Jahr die Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden. Der Presserat sprach hier drei Rügen aus - unter anderem, weil der Amokläufer in einer Bildmontage heroisierend dargestellt wurde. "Journalisten sollten vermeiden, Täter in den Vordergrund zu stellen um mögliche Nachahmer nicht zu bestärken", sagte Protze. Wenn über einen Amoklauf berichtet werde, müsse zudem der Opferschutz im Mittelpunkt stehen. Das Selbstkontrollorgan sprach im Jahr 2008 insgesamt 18 Rügen aus.

Verlage müssen auch über Online-Foren wachen

Mit der neuen Zuständigkeit für journalistische Online-Angebote von Presseverlagen wacht der Presserat neben Fotostrecken und Videobeiträgen erstmals auch über Online-Foren. Hier sieht das Gremium die Redaktionen in der Pflicht, bei Verletzungen von Persönlichkeitsrechten oder Ehrverletzungen einzugreifen. "Entsprechende Kommentare in Foren muss der Verlag umgehend löschen oder erst gar nicht veröffentlichen", sagte Protze. Der Presserat will die Verlage auch zur Selbstregulierung im Internet verpflichten. Nach Angaben von Presserat-Geschäftsführer Lutz Tillmanns hätten die meisten Großverlage bereits eine sogenannte Selbstverpflichtungserklärung abgegeben.

Da das Selbstkontrollorgan der deutschen Verlage zudem immer mehr Beschwerden über Schleichwerbung in Zeitungen und Zeitschriften erhält, veröffentlichte das Gremium am Donnerstag dazu einen Praxis-Leitfaden. Darin sind Fallbeispiele über zulässige und unzulässige Berichterstattungen dokumentiert. "Damit geben wir keine endgültige Definition ab. Den Redaktionen soll lediglich eine Hilfestellung gegeben werden, wie Werbung kenntlich gemacht werden muss", sagte Tillmanns.

epd