Evangelisches Weingut: Oben beten, unten zechen
In den steilen Schieferhängen der Mosel werden in diesen Tagen noch die letzten Rieslingtrauben geerntet. An einer spektakulär engen Moselschleife liegt das Weindorf Wolf. Hier ist wohl der einzige Ort Deutschlands, in dem direkt unter der Kirche ein Weinkeller zu finden ist.
22.10.2009
Von Marlene Grund

Das dazugehörige Kirchengut Wolf ist eines der wenigen deutschen Weingüter im Besitz der evangelischen Kirche. 1478 vom Laienorden "Brüder vom gemeinsamen Leben" gegründet, wurde es nach den Reformationsumbrüchen im Jahr 1557 der evangelischen Kirchengemeinde zugeschlagen. Heute sorgt das Winzerpaar Markus und Ulrike Boor dafür, dass der Wein ökologisch angebaut wird.

Geistlicher und geistiger Genuss

Herzstück des Kirchengutes ist der Gewölbekeller aus dem Jahr 1488, wo neben uralten Eichenfässern bei Kerzenschein Weinproben stattfinden. Wenn in der Kirche die Orgel erklingt, ist das im Keller zu hören. Das Prinzip "oben beten, unten zechen" sollen findige Kirchenbesucher in früheren Zeiten durchbrochen haben, erzählt der Winzer. Durch Löcher im Fußboden legten sie Schläuche direkt in die Weinfässer, um in den Gottesdiensten geistlichen und geistigen Genuss zu verbinden.

Nicht in den Bereich der Legenden gehört, dass in Wolf der Pfarrer seit 1557 bis zum Jahr 2001 immer auch gleichzeitig Winzer war, zuständig für mehr als vier Hektar auf steilen Schieferhängen. Die Namen Goldgrube, Klosterberg und Schatzgarten lassen anklingen, dass der evangelischen Kirchengemeinde die Filetstückchen des Ortes gehören. Viele der Pfarrherren waren durchaus talentierte Weinbauern, doch der Zusammenklang von Theologie und Önologie wurde immer schwieriger.

Öko-Anbau zum Schutze der Schöpfung

Als das Kirchengut weitaus mehr Geld verschlang als es einbrachte, beschloss die Kirchengemeinde Wolf, die zur Evangelischen Kirche im Rheinland gehört, im Jahr 2001 die Verpachtung an Markus Boor und seine Frau Ulrike. Der heute 40-jährige Diplom-Betriebswirt für Weinbau und Weinmarketing startete sofort mit der Umstellung auf ökologischen Anbau, um, wie er sagt, Reben und Boden zu schonen und die Schöpfung zu bewahren.

Seit der Bio-Winzer und seine Frau - eine frühere Königin - das kircheneigene Weingut bewirtschaften, gab es zahlreiche Medaillen und Auszeichnungen für ihre Produkte. Vor zwanzig Jahren trug Ulrike Boor gleich zwei Mal die Krone einer Weinkönigin, einmal repräsentierte sie ihren Heimatort Traben-Trarbach, im darauffolgenden Jahr die Region Mosel-Saar-Ruwer.

Biowein findet Anklang bei Kunden und Kritikern

In dem Weindorf Wolf mit seinen 800 überwiegend protestantischen Einwohnern fanden die neuen Methoden des Winzerpaares nicht nur Anklang. Manch einer misstraute dem Bio-Anbau und fürchtete um Geld und Reputation.

Doch der Erfolg gab den Boors recht. Die qualitätvollen Rieslinge, die Spätburgunder und Merlots, sowie Sekte und Traubensäfte - alle mit dem Ecovin-Zertifikat des Bio-Verbandes - finden Anklang bei Kunden und Kritikern. Die Kirchengemeinde Wolf profitiert von den regelmäßigen Einnahmen durch die langfristige Verpachtung. Die Bindung zwischen Weingut und Kirche blieb bestehen.

"Wir schwimmen im Teich der Kirche", sagt Boor. Mit seinem Infostand auf dem Bremer Kirchentag 2009 fand das Ehepaar "mehr Zuspruch als auf jeder Weinmesse". Zahlreiche Kirchengemeinden beziehen vom Kirchengut an der Mosel ihren Abendmahlswein, oft fällt eine Presbyteriumsentscheidung ganz demokratisch per Abstimmung nach vorausgegangener Weinprobe.

"Wein mit mehr Leben"

Weil in der evangelischen Kirche traditionell gerne roter Wein zum Abendmahl gereicht wird, produziert Winzer Boor mehr davon als an der Mosel üblich. Zwischen Luxemburg und Koblenz werden normalerweise etwa zehn Prozent rote Trauben angebaut, im Kirchengut sind es fast 25 Prozent. 25.000 Flaschen liefern die vier Hektar in einem guten Weinjahr.

Der ökologische Weinbau ist für die Winzer ein so selbstverständlicher Teil ihrer beruflichen Identität, dass sie keine großen Worte darum machen. "Die Weine haben einfach mehr Leben", urteilen sie. Ulrike Boor gefällt, dass ökologischer Weinbau mehr Achtsamkeit fordert. "Wir richten jeden einzelnen Arbeitsschritt nach dem Zustand des Bodens, der Reben und des Wetter aus und müssen aufmerksam beobachten."

Das Mehr an Handarbeit, das der ökologische Anbau in den steilen Hängen fordert, treibt auf dem Kirchengut Wolf übrigens nicht den Preis hoch. Die Weine liegen in der gleichen Preiskategorie wie die konventionell angebauten der Region. "Auch Bio-Wein wird nur gekauft, wenn er schmeckt", sagt Boor. Er selbst hat ein ganz einfaches Qualitätskriterium: "Ich bin zufrieden, wenn meine Frau sagt, dass der Wein gut ist".

epd

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