1995 war nach langer Debatte das Abtreibungsrecht geändert worden. Seitdem müssen sich Frauen, die straffrei ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten in einer anerkannten Stelle beraten lassen und dies über einen Schein nachweisen. Für die katholische Kirche, die Abtreibungen ablehnt, bedeutete dies einen schwierigen Balanceakt. Dennoch stellten die katholischen Beratungsstellen zunächst die Scheine weiterhin aus.
Papst Johannes Paul II. akzeptierte diese Entscheidung jedoch nicht. 1998 schrieb er an die deutschen Bischöfe, sie sollten ihre Hilfe für schwangere Frauen fortführen. "Gleichzeitig habe ich Euch um der Klarheit eures Zeugnisses für die Unantastbarkeit jedes menschlichen Lebens willen eingeladen, in den kirchlichen ... Beratungsstellen keine Bescheinigung mehr ausstellen zu lassen." Die deutschen Bischöfe verhandelten mit dem Vatikan, der aber alle Kompromissangebote ablehnte. Ab Mitte 1999 stieg daraufhin ein Bistum nach dem anderen aus der Konfliktberatung mit Schein aus.
Frauen ermutigen, ihr Kind zu behalten
Die Katholiken in Deutschland suchten sich einen anderen Ausweg. Als erstes wurde das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) aktiv, die Laienvertretung der katholischen Kirche. Dort wurde über die Gründung eines Vereins nachgedacht, um die Beratung samt Schein fortsetzen zu können. Im September wird schließlich "Donum Vitae" gegründet.
"Donum Vitae" will Frauen ermutigen, ihr Kind zu behalten, stellt aber den Schein aus, wenn die Frau das wünscht. Inzwischen unterhält der Verein an 190 Orten Beratungsstellen. 2008 beriet "Donum Vitae" rund 43.500 Frauen. Die Beraterinnen sind ausgebildete Fachkräfte. Rat und Hilfe gibt es für Frauen und Paare auch nach einem Schwangerschaftsabbruch, nach einer Fehl- oder Totgeburt sowie bei Fragen der Familienplanung. Darüber hinaus vermittelt "Donum Vitae" auch finanzielle Hilfen.
Finanziert wird der Verein zu 80 Prozent von den Bundesländern. Der Rest muss über Spenden und Mitgliedsbeiträge gedeckt werden. Kirchensteuermittel bekommt "Donum Vitae" nicht.
Selbstbewusstsein der katholischen Laien gestärkt
Vereinsvorsitzende Rita Waschbüsch hält den Ausstieg der Kirche nach wie vor für einen Fehler. Allerdings habe die erfolgreiche Arbeit von "Donum Vitae" das Selbstbewusstsein der katholischen Laien gestärkt. "Wir haben viele bewegt, sich zu bei uns zu engagieren, die sich sonst von der Kirche abgewandt hätten", ist Waschbüsch überzeugt.
Die noch amtierende Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die zu den Gründerinnen von Donum Vitae zählt, hält den Ausstieg der katholischen Kirche ebenfalls "für sehr problematisch". Die Gründung von "Donum Vitae" sei ein wichtiger Schritt gewesen, Frauen in Not beizustehen, und ein Beispiel für den Einsatz von Katholiken zum Schutz des Lebens.
Anfeindungen der Amtskirche
So sieht es die Amtskirche nach wie vor nicht. Papst Benedikt XVI., der Nachfolger von Johannes Paul II., machte 2006 erneut deutlich, dass er seinen Frieden mit den deutschen Laien so lange nicht machen wird, bis sie "in Einheit mit dem Papst und den Bischöfen" handelten. Auch die deutschen Bischöfe verständigten sich darauf, dass kirchliche Mitarbeiter in dem Verein keine Leitungsposten übernehmen dürften und "Donum Vitae" eine Vereinigung außerhalb der Kirche sei.
"Ich halte das aus", sagt Waschbüsch zu diesen Anfeindungen. Dennoch findet sie solche Aussagen "schlimm". Denn damit würden Menschen aus der Kirche ausgegrenzt, die "im Ziel keinen Millimeter anders denken als der Papst und die Bischöfe".