Wenn Sandra Lange durch Berlin radelt, neben sich ihren Jagdterrier Sina, wirkt sie wie eine ganz normale Studentin auf dem Weg zur Uni. Niemand ahnt auf den ersten Blick, dass in der Frau in unauffälligen Bluejeans eine wahre Künstlerseele wohnt. Doch die 26-Jährige ist schon seit Jahren freiberufliche Malerin. Sie will diesen Weg gehen, obwohl er entlang der Armutsgrenze verläuft.
"Schon mein Frühstück findet im Atelier statt, und dann bin ich wirklich den ganzen Tag da", erzählt sie über ihren Fulltime-Job. Sie weiß, um irgendwann den großen Durchbruch in der Kunstszene zu schaffen, braucht es harte Arbeit, Fleiß, Durchhaltevermögen - und Geld.
600 Euro im Monat kostet allein die Grundausstattung für die Kunst: Ateliermiete, Leinwände, Pinsel, Acryl- und Öl-Farben, Gebühren für Ausstellungen, Kataloge. In ihren aktuellen Katalog hat sie mehr als 2.000 Euro investiert. Ihr Aushängeschild soll durch hochwertiges Papier glänzen. Beim Malen will sie nicht mit dem Material knausern. Es gehe schließlich um Kreativität und Originalität. "Einfach nur ein Motiv abzureiten, beispielsweise den Sonnenuntergang auf Mallorca 50 Mal zu malen, das ist natürlich berechenbar. Aber ich will einen Dialog mit dem Bild führen."
Unterstützung von den Eltern
Finanzielle oder zeitliche Einschränkungen nimmt die junge Malerin gerne in Kauf: "Ich habe das ja so gewählt." Immerhin finanziert sich ihre Kunst derzeit selbst durch ein einjähriges Stipendium. Durch Nebenjobs wie Nachhilfe oder Kellnern kriegt sie selbst meist um die 400 Euro im Monat zusammen. In Krisenzeiten wird sie von ihren Eltern unterstützt.
Die Statistik zeigt: Nur ein bis zwei Prozent der Maler können von ihrer Kunst leben. Das ist auch Sandra Lange klar. Doch immerhin habe sie 2007 einige große Bilder für mehrere tausend Euro verkauft - "wobei 2008 aber gar nichts und 2009 nicht viel lief."
Nach Angaben des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) verdienen junge Maler rund 8.450 Euro im Jahr, die weiblichen Künstler unter ihnen sogar nur 5.820 Euro. Nach Zahlen der Künstlersozialkasse stehen die darstellenden Künstler am untersten Ende der Liste. Musiker und Autoren verdienen mehr.
"Man muss zäh sein und braucht einen langen Atem", sagt Gabriele Juvan, die seit mehr als 20 Jahren hauptberuflich Künstlerin ist, aber erst seit zwei Jahren davon leben kann. Sie bestätigt, dass Frauen es in der Kunst schwerer haben als Männer. "Du musst offensiv sein und wegstecken können", sagt die Offenbacherin. Frauen begriffen sich in ihrem Selbstverständnis nicht so wie Männer als Unternehmerinnen. Männer hätten mehr den Blick für das eigene Management und Marketing, für berufliches Netzwerken und das Sich-Selbst-Inszenieren.
Bonner Frauenmuseum
Dem pflichtet auch Gudrun Angelis vom Frauenmuseum in Bonn bei. "Kunst ist ein Wirtschaftsfaktor. Frauen sollten auf dieser Schiene laufen", sagt die Kunstmanagerin. Das Bonner Frauenmuseum wurde 1981 als das erste seiner Art weltweit gegründet. In früheren Jahrhunderten wäre das undenkbar gewesen. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts gelang es einigen wenigen Frauen, in die Kunstakademien vorzudringen. Zuvor waren sie nicht zugelassen.
"Gleichberechtigung haben wir auf diesem Gebiet noch lange nicht", sagt Angelis. Werke von Künstlerinnen würden seltener ausgestellt, es gebe für sie weniger Berufungen und weniger namhafte Preise. Zudem werde über sie in den Medien weniger berichtet. Auch sei ihre Reputation im Allgemeinen geringer, obwohl eine Großteil der Frauen heute über eine ausgezeichnete Ausbildung verfüge und es sogar eine überproportionale Präsenz in den Ausbildungsgängen gebe. Sandra Lange bestätigt das: "Ich habe viele Kolleginnen an der Uni, doch im höheren akademischen Rang und auch die wirklich erfolgreichen Galeristen und Künstler, das sind nur Männer."
epd