Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, der Aufbau eines Kapitalstocks sei wegen der demografischen Entwicklung und der zunehmenden Zahl der Pflegebedürftigen nötig. "Dann kann der Beitrag dazu nicht vom Himmel fallen." Entschieden sei aber noch nichts. FDP-Vizechefin Cornelia Pieper bestätigte: "Wir wollen auch einen Einstieg in ein kapitalgedecktes Verfahren für die jüngere Generation. Ansonsten ist die Pflege zukünftig nicht mehr finanzierbar."
Der FDP-Pflegeexperte Heinz Lanfermann betonte, der Einstieg in die Kapitaldeckung solle sachte geschehen. Die derzeitige Umlagefinanzierung solle bleiben. Bei den erwogenen Pflicht-Pauschalen zulasten der Versicherten solle es sich nur um kleine Euro-Beträge handeln. "Es wären wenige Euro pro Monat", sagte Lanfermann der Deutschen Presse-Agentur dpa. Den angepeilten Prämienmodellen bei Pflege und Gesundheit solle zudem ein Sozialausgleich an die Seite gestellt werden.
Mehr Leistungen für Demenzkranke
Eine Kapitalsäule in der Pflegeversicherung sei schon allein deshalb geplant, damit Leistungen künftig entsprechend der Inflation steigen könnten, sagte Lanfermann. Außerdem sollten Demenzkranke mehr Leistungen erhalten. Langfristig sollten die immer zahlreicheren Pflegebedürftigen bedacht werden können. Die Versicherten sollten individuelle Ansprüche erhalten.
Der entscheidende Passus im Entwurf des Koalitionsvertrags lautet, als Umlagefinanzierung könne die Pflegeversicherung ihre Aufgabe nicht auf Dauer erfüllen. "Daher brauchen wir neben dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss."
Mit der Reform der Pflegeversicherung vom 1. Juli 2008 war der Beitrag um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent gestiegen, für Kinderlose auf 2,2 Prozent. Langfristig finanzielle Sicherheit über 2014 hinaus wurde damit nicht geschaffen. Die Pflegeversicherung wird aktuell paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Die Einnahmen werden dabei sofort wieder ausgegeben. Am geplanten Kapitalstock wären die Arbeitgeber nicht mehr beteiligt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte nach Angaben der "Berliner Zeitung" in der Unions-Fraktion im Bundestag an, den bisher prozentual auf den Lohn bezogenen Beitrag Schritt für Schritt auf einen Pauschalbeitrag umzustellen.
Ende des Solidarpakts?
Für SPD-Fraktionsvize Elke Ferner lassen die schwarz-gelben Pläne "nichts Gutes" erwarten. Sollten sich die Arbeitgeber aus der Pflegeversicherung verabschieden, würden künftige Kostensteigerungen allein von den Versicherten finanziert werden müssen. Linke-Fraktionsvize Klaus Ernst warnte vor einem Ende des Solidarpakts. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, damit werde de facto eine Kopfpauschale eingeführt.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach warnte vor einer "explosionsartigen Belastungswelle". Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, befürchtet, durch "die schleichende Privatisierung" werde der "Entsolidarisierung der sozialen Sicherungssysteme Vorschub geleistet". Der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, warnte vor neuen Ungerechtigkeiten. "Wer heute die Pflegeversicherung auf Kapitaldeckung umstellt, will morgen auch die gesetzliche Krankenversicherung privatisieren", sagte Barmer-Chef Johannes Vöcking.
Der Chef der Jungen Gruppe der Unionsfraktion, Marco Wanderwitz (CDU), begrüßte die Pläne im "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag) als "hervorragend". "Wir müssen weg von der Lohnbezogenheit." Mittelfristig solle dies ein Modell für die Krankenversicherung sein.