Kunstprojekt: Riesen-Bibel, geschrieben mit Blut
Zwei Meter hoch, 1,50 Meter breit - und mit 500 Litern Blut geschrieben: Die Bibel des Künstlers Dieter Gerschler. Nun wird sie in Hamburg erstmals komplett ausgestellt.
20.10.2009
Von Thomas Morell

Für den Transport der monumentalen "Gerschler-Bibel" musste eigens ein Lkw gechartert werden. Vier kräftige Männer haben das rund 500 Kilogramm schwere Luther-Evangelium in die Hamburger St. Johanniskirche Altona geschleppt, wo sie bis zum 6. November erstmals vollständig ausgestellt wird. Nach Angaben des Künstler Dieter Gerschler ist es die größte Bibel der Welt. Beschrieben sind die meisten Seiten mit Blut.

Eigene Brustwunde, Tier- und Menstruationsblut

1980 begann Gerschler in seinem Hamburger Atelier mit den Arbeiten für seine zwei Meter hohe und 1,50 Meter breite Bibel. Mit einer Rasierklinge habe er sich zweimal in die linke Brust geschnitten, berichtet er über den Beginn seiner Arbeit. Dann habe er zwei Finger in die Wunde gelegt und damit den ersten Bibelvers geschrieben. 24 Jahre lang hat der gebürtige Chemnitzer an seiner Bibel gearbeitet. Teile davon waren bereits in Hamburg gezeigt worden.

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Als Textvorlage wählte Gerschler die Luther-Übersetzung des Neuen Testaments. Blut, so Gerschler, sei ein "kosmisches Rauschmittel". Es sei sichtbares Symbol für das Leben. Aus medizinischen Gründen konnte er jedoch nicht allein eigenes Blut verwenden. Insgesamt 500 Liter hat er verbraucht. So verwendete er Tier-Blut vom Schlachthof und abgelaufene Blut-Konserven, die er über persönliche Kontakte bekam. Auch mit Menstruationsblut habe er geschrieben, so Gerschler. Es sei das einzige Blut, das dem Körper nicht unter Schmerzen entzogen werde.

Eine Seite für jeden Tag

365 Seiten hat sein überdimensionales Werk. Zur Eröffnung an diesem Mittwoch wird die Seite 294 aufgeschlagen, weil der 21. Oktober der 294. Tag im Jahr ist. Jeden Tag soll dann eine Seite weitergeblättert werden. Besucher können die anderen Bibelseiten am Bildschirm ansehen. Der Text ist eine Mischung aus Bibeltext und persönlichen Aufzeichnungen. Die Seiten sind zusammengeklebt aus Briefen, Zeitungen, Karten und Skizzen. Die Ausstellung wird ergänzt durch Lichtschaukästen und eine Videoproduktion. Auszüge der Bibel sind auch im Internet zu besichtigen.

Die Ausstellung stelle die Bibel in den Mittelpunkt, sagt Pastor Ulrich Hentschel. Die Gemeinde wolle die Debatte um Kunstwerk und Bibel fördern. Für eine solche Auseinandersetzung sei die Kulturkirche St. Johannis der passende Ort. Das bedeute nicht, dass die Gemeinde vorbehaltlos hinter den Aussagen des Künstlers stehe. Begleitet wird die Ausstellung von Gottesdiensten, Lesungen und Konzerten.

epd