Traditionsreiches Versandhaus Quelle ist am Ende
Der zahlungsunfähige Versandhändler Quelle steht vor dem endgültigen Aus. Der Betriebsrat spricht von einer "Riesenkatastrophe" für die Mitarbeiter.

Das Ringen um Quelle war vergeblich: 82 Jahre nach der Gründung ist das traditionsreiche Versandhaus am Ende. Sämtliche Rettungsbemühungen für das insolvente Fürther Unternehmen sind gescheitert, die meisten der insgesamt 10.500 Beschäftigten werden ihren Arbeitsplatz verlieren. "Nach intensiven Verhandlungen mit einer Vielzahl von Investoren sehen Insolvenzverwalter wie Gläubigerausschuss jetzt keine Alternative zur Abwicklung von Quelle Deutschland mehr", teilte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg mit.

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Als Grund nannte er die gescheiterten Verhandlungen über die Finanzierung des Versandgeschäfts, das sogenannte Factoring. Diese für Versandunternehmen typische Art der Vorfinanzierung von Kundenforderungen übernimmt die Quelle-Hausbank Valovis mit Unterstützung der Bayern LB und der Commerzbank - allerdings nur bis zum Jahresende. Eine Einigung über den 1. Januar 2010 hinaus habe nicht erzielt werden können, berichtete Görg. Dies hatten die potenziellen Investoren aber zur Bedingung gemacht. Nun soll der Verkauf der Primondo-Einzelteile folgen, zu denen auch profitable Geschäfte wie etwa Spezialversender (Hess Natur, Baby Walz) oder der Homeshopping-Kanal HSE 24 gehören.

"Keine Hoffnung mehr"

"Das ist für die betroffenen Menschen und ihre Familien eine Riesen-Katastrophe", sagte Quelle-Gesamtbetriebsratschef Ernst Sindel. Bis zuletzt habe sich das niemand vorstellen können. Noch am Vorabend hatte Sindel im Gläubigerausschuss um eine Lösung gekämpft. "Obwohl ich nie aufgebe, mache ich mir jetzt keine Hoffnungen mehr", sagte Sindel enttäuscht. Auch viele schockierte Quelle-Beschäftigte sehen für sich keine Perspektive mehr.

Nach Worten Görgs soll Quelle bereits in wenigen Wochen abgewickelt sein. "Wir müssen funktionsfähig bleiben für die nächsten vier bis sechs Wochen", sagte er am Dienstag in Fürth. Die meisten der verbliebenen Mitarbeiter würden schon zum 1. November keinen Lohn mehr erhalten. "Wir werden uns sehr bemühen, einen geordneten Ausverkauf zu machen", sagte Görg.

Nochmals 4.000 bis 5.000 Menschen würden ihren Job verlieren, die meisten im Raum Nürnberg/Fürth. Genaue Zahlen könne er noch nicht nennen. Von Anfang an war geplant, rund ein Drittel der 10.500 Arbeitsplätze bei der Arcandor-Tochter Primondo mit dem Flaggschiff Quelle abzubauen.

Kunden blieben weg

Bei den Call Centern würden "kleinere Einheiten" weitermachen können. Auch beim technischen Kundendienst sehe es besser aus, sagte Görg. Der Kundenverlust war nach seinen Worten der wichtigste Grund für das Aus bei Quelle. "Was wir am wenigsten erwartet hatten, war der kontinuierlich sinkende Umsatz." Beim Kaufpreis sei man "nicht anspruchsvoll" gewesen. "Wir haben uns bemüht, so billig wie eben möglich zu verkaufen." Görg sagte, man werde sich nun bemühen, im Inland wie im Ausland so viel wie möglich an Substanz zu retten.

Vorsichtig optimistisch äußerte sich der Arcandor-Insolvenzverwalter dagegen zur Zukunft der Warenhaustochter Karstadt. "Karstadt ist in einer viel besseren Lage", sagte Görg. "Der Investorenprozess ist bei Karstadt überwiegend erfolgsversprechend."

Verdi-Handelsexperte Johann Rösch sagte der dpa, bis auf wenige Kollegen, die noch für die Abwicklung benötigt würden, stünden bei Quelle alle Beschäftigten vor der sofortigen Entlassung. Auch die in einem mühsamen Kompromiss aufgestellte Transfergesellschaft zur Weiterqualifizierung der Betroffenen steht vor dem Ende.

In der Politik begann unterdessen die Suche nach Schuldigen. Während Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)darauf verwies, "das Menschenmögliche getan" zu haben, warf die bayerische SPD Seehofer sowie Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eine Mitschuld an der endgültigen Pleite vor. Seehofer kündigte unterdessen einen Zukunftsplan für die stark getroffene Region Nürnberg/Fürth an.

Trends im Internet zu spät erkannt

Der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (BVH) sieht in der Insolvenz von Quelle kein Signal für die gesamte Branche. "Dank steigender Umsätze im E-Commerce ist der Versandhandel ein zukunftssicherer Wachstumsmarkt", sagte der stellvertretende BVH-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer in Frankfurt.

Noch in der Vorwoche hatte der Insolvenzverwalter sich optimistisch gezeigt und mitgeteilt, bis Ende Oktober solle eine Entscheidung über den Verkauf der Traditionsfirma fallen. Kein einziger der ernsthaft interessierten Investoren habe sich offiziell aus dem Prozess zurückgezogen, hieß es. Bislang sollten bei Quelle rund 3700 der bundesweit 10.500 Stellen gestrichen werden. Für Quelle lief seit Anfang September ein Insolvenzverfahren.

Am 9. Juni hatte die Muttergesellschaft Arcandor AG in Essen die Insolvenz für sich und mehrere Töchter beantragt. Der Schritt traf das 1927 gegründete Traditionshaus Quelle mitten in einem tiefgreifenden Umbau, der bereits in den vergangenen Jahren zu scharfen Einschnitten geführt hatte. Das Unternehmen hatte die Bedeutung des Internets für den Handel erst spät erkannt. In den vergangenen Jahren erfolgte dann eilig eine strategische Neuausrichtung.

dpa