Die ersten Symptome lassen die 17-jährige Sandra stutzig werden. Übelkeit am Morgen, spannende Brüste. Kann das sein? Nach einem Termin beim Frauenarzt steht für die Jugendliche fest: Sie ist schwanger. "Ich war schockiert", erinnert sich die heute 18-Jährige aus Moers. Doch schnell überwiegt die Freude. Gedanken an einen Schwangerschaftsabbruch verwirft sie schnell: "Das ging einfach nicht."
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Rund 5.600 Mädchen unter 18 Jahren brachten dem Statistischen Bundesamt zufolge im vergangenen Jahr in Deutschland ein Kind zur Welt. 2005 waren es sogar knapp 6.600. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Minderjährigen lag 2008 bei rund 5.300, im Jahr 2005 trieben knapp 7.300 junge Frauen und Mädchen unter 18 ab.
Sandra vertraut sich sofort ihrer Mutter an. "Viel mehr Angst hatte ich davor, es meinem Vater zu erzählen", berichtet sie. Doch anders als befürchtet habe er ganz ruhig reagiert. Von einem Tag auf den anderen wird er nicht nur Opa, sondern ist auch plötzlich wieder für einen Säugling verantwortlich, kauft mit Sandra Möbel für das Babyzimmer.
Ambulante Betreuung reichte nicht
Mit ihrem Freund ist Sandra erst wenige Wochen zusammen, als sie ungewollt schwanger wird. Die junge Beziehung hält dieser Belastungsprobe nicht stand. Heute hat sie zu dem sechs Jahre älteren Vater ihres Sohnes kaum noch Kontakt. Über ihn spricht die junge Frau nicht gern, mit glasigen Augen blickt sie aus dem Fenster, wenn sein Name fällt.
Doch wenn sie den kleinen Nico im Arm hält, ist sie mit sich und der Welt im Reinen, so scheint es. Behutsam weckt sie den Kleinen, um ihn mit Karottenbrei zu füttern, kuschelt mit ihm und mustert ihn aufmerksam. Anfangs wohnt Sandra mit dem Baby im Haus ihres Vaters, ambulant betreut vom Jugendamt, doch alle stoßen schnell an ihre Grenzen. "Ich hatte ja überhaupt keine Erfahrungen mit Babys", sagt die junge Mutter. Hilfe findet sie schließlich bei der Düsseldorfer Diakonie.
Zunächst reicht die ambulante Beratung aus. Doch schließlich zieht Sandra mit ihrem Nico in ein Mutter-Kind-Haus der Diakonie in Düsseldorf. Dort fühlt sie sich gut aufgehoben. "Ich kann rund um die Uhr Fragen stellen, wenn ich unsicher bin, und mir wird geholfen, wenn ich darum bitte", erläutert sie.
Neun Plätze für junge Mütter
Neun Plätze sind in dem Haus vorhanden, zwei Mädchen stehen derzeit auf der Warteliste. "Manchmal ist die Nachfrage groß, manchmal stehen aber auch Zimmer leer", sagt Erzieherin Myriel Haas. "Mütter mit ihren Kindern werden nicht mehr so häufig stationär untergebracht, um Kosten zu sparen." Haas, die als Erzieherin der Diakonie im Augusta-Haus arbeitet, zeigt den jungen Müttern, wie sie für ihr Baby oder Kleinkind sorgen können und was bei der Erziehung wichtig ist.
Später können die Frauen das Leben alleine in einer Außenwohnung der Diakonie ausprobieren oder in die eigenen vier Wände ziehen. Die Diakonie-Mitarbeiterinnen sind dann weiter als Ansprechpartnerinnen für die Frauen da und vermitteln Angebote wie Babyschwimmen und Krabbelgruppen.
Eine Frage des Charakters
Nachdem Sandra den kleinen Nico gefüttert hat, geht sie mit ihm in ihr gemeinsames Zimmer im Diakonie-Haus. Auf dem Fußboden des kleinen Raums liegen Kleidungsstücke verstreut. "Mein eigenes Zimmer vermisse ich schon", sagt die 18-Jährige. Ihr großer Traum ist es, eine eigene Wohnung zu beziehen und eine Ausbildung als Floristin zu beginnen. "Einige Mütter ziehen schon nach einem halben Jahr wieder aus, andere bleiben bis zu vier Jahre", sagt Myriel Haas. Im Durchschnitt betrage die Aufenthaltsdauer etwa ein Jahr.
Sandra hatte sich die Gründung einer kleinen Familie ursprünglich für Ende 20 ausgemalt. Doch sie hat sich inzwischen damit arrangiert, dass es anders gekommen ist. Ihren Sohn Nico hat sie seit ihrer Geburt nicht aus den Händen gegeben. Junge Frauen müssten keine schlechten Mütter sein, betont sie: "Wie verantwortungsvoll man mit einem Kind umgeht, ist nicht nur eine Sache des Alters, sondern auch des Charakters."