Ein "zentrales deutsches FBI mit geheimpolizeilichen Befugnissen", Online-Durchsuchung, Anti-Terrordatei - Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist von Datenschützern mit dem Big Brother Award für sein Lebenswerk "ausgezeichnet" worden. Besonders "preiswürdig" seien "Schäubles obsessive Bestrebungen, den demokratischen Rechtsstaat in einen präventiv-autoritären Sicherheitsstaat umzubauen", hieß es in der am Freitag veröffentlichten "Laudatio" des Rechtsanwalts und Menschenrechtlers Rolf Gössner.
Der "Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs" (FoeBuD) in Bielefeld kürt seit zehn Jahren Preisträger, die aus ihrer Sicht besonders schwer gegen den Datenschutz verstoßen haben. Er zeichnet 2009 auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) aus - für ihr "System zur Inhaltskontrolle im Internet".
"Nachhaltige Beeinträchtigung der Privatsphäre"
In der Kategorie "Arbeitswelt" gingen die Datenschützer-Preise wegen der Überwachung ihrer Mitarbeiter unter anderem an die Deutsche Bahn, die Deutsche Post, die Telekom und an die Supermarktkette Lidl. Ausgezeichnet wurden außerdem im Bereich "Wirtschaft" acht Firmen, die Überwachungstechnik für Internet und Telefon anbieten. In der Kategorie "Sport" wurde das Berliner Organisationskomitee der Leichtathletik-WM kritisiert, weil es für die Berichterstattung von Journalisten die Zustimmung zu einer umfassenden Überprüfung der persönlichen Daten verlangt habe. (Eine Liste aller Preisträger findet sich unter www.bigbrotherawards.de.)
Die Negativ-Preise werden jedes Jahr Firmen, Organisationen und Personen zuerkannt, die "in besonderer Weise und nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen". Der Preis wird vom FoeBuD-Verein gemeinsam mit weiteren bundesweiten Bürgerinitiativen vergeben. Eine Jury aus Menschenrechtlern, Computerexperten sowie Daten- und Verbraucherschützern wählt aus den bundesweit eingesandten Vorschlägen die Preisträger für die Überwachungs-Auszeichnungen in sieben Kategorien aus. In diesem Jahr wurde zugleich "10 Jahre Big Brother Awards" gefeiert.
"Pionierarbeit für Bürgerrechte und Datenschutz"
In einem Grußwort würdigte der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) anlässlich des Jubiläums, dass die "Big Brother Awards" in den vergangenen Jahren Pionierarbeit für den Einsatz von Bürgerrechten und Datenschutz geleistet hätten. Es müsse ein Bewussten dafür geschaffen werden, dass der Schutz der Privatsphäre für die Qualität der demokratischen Grundordnung unverzichtbar sei, hieß es in dem Grußwort.
Wenn heute Datenschutzskandale in der Wirtschaft hohe Wellen schlügen und Großdemonstrationen gegen Überwachungsgesetze stattfänden, sei das auch ein Verdienst der "Big Brother Awards", erklärte die Initiative FoeBuD. Im vergangenen Jahr zählten unter anderem die EU wegen einer "demokratisch nicht legitimierten Terrorliste" sowie die Deutsche Telekom für die illegale Nutzung von Telefonverbindungsdaten sowie für die Bespitzelung von Journalisten und Telekom-Aufsichtsräten zu den Preisträgern.