Götter, Gräber, Nofretete: Neues Museum wieder offen
Der Höhepunkt eines Rundgangs durch das Neue Museum ist zweifellos ein kleiner Eckraum in der Beletage: Hier, im Nordkuppelsaal, residiert jetzt Königin Nofretete. Die Büste steht im Zentrum des Raums, perfekt ausgeleuchtet, direkt unter dem Oberlicht. Wunderbar stimmig wirken die Farben der historischen Ausmalung. Ein starker Eindruck, ein Ruhepol in dem nun wieder reich mit den Sammlungen der ägyptischen Kunst und der Vor- und Frühgeschichte gefüllten Haus.
16.10.2009
Von Sigrid Hoff

60 Jahre hatte das Neue Museum mitten in Berlin als Ruine gestanden, ein Schandfleck der Museumsinsel. Viele Details der von Friedrich August Stüler Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffenen Architektur waren beschädigt oder verloren gegangen. Elf Jahre dauerte der Wiederaufbau durch den britischen Architekten David Chipperfield, im Frühjahr konnte das Haus den Staatlichen Museen übergeben werden. Er beließ dem Bau seine Fehlstellen, ergänzte behutsam und schuf das gänzlich zerstörte Treppenhaus neu. Am Freitag schließlich wurde es von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (beide CDU) feierlich wiedereröffnet.

Meilenstein der Museumsgeschichte

Die insgesamt rund 8.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche teilen sich zwei Museen: Das Ägyptische Museum präsentiert nun 2.500 Exponate. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte zeigt noch einmal mehr als doppelt so viele Objekte und dreimal mehr als am vorherigen Standort in Charlottenburg, wo ein Großteil der Exponate nach dem Zweiten Weltkrieg beheimatet waren. Zu den Höhepunkten der Altertümer gehören der Fund eines Neandertalers, der "Berliner Goldhut" aus der Bronzezeit und die Grabinventare der Merowinger. Für Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ist die Eröffnung ein Meilenstein der Museumsgeschichte: "Ein Haus, das jahrzehntelang Ruine war, wird wieder zum Leben erweckt."

Das neue Konzept des Ausstellungsrundgangs folgt dem Prinzip eines Dialogs der Sammlungen. Das beginnt gleich auf der Eingangsebene: Links und rechts vom Vestibül präsentieren sich die archäologischen Sammlungen mit ihrer Geschichte: Der Vaterländische Saal mit seinen Darstellungen der germanischen Sagen gehört dem Museum für Vor- und Frühgeschichte, der Mythologische Saal mit seiner kobaltblauen, reichbemalten Deckentapete dem Ägyptischen Museum, das dort seinen Initiator Karl Richard Lepsius würdigt. Der Forscher hatte mit seinen Expeditionen um 1845 den Grundstock zur Sammlung gelegt.

Opferkammern, Sonnengott und Papyri

Höhepunkt auf Ebene 1 sind im Westflügel die trojanischen Altertümer, die Heinrich Schliemann den Museen vermacht hat. Dabei wird erstmals deutlich, dass der Schatz des Priamos, dessen Goldbestände noch immer als Beutekunst in Moskau sind, auseinandergerissen wurde.

Im Ostflügel beeindrucken drei im Original aufgebaute Opferkammern Altägyptens. Auch auf der Beletage im zweiten Ausstellungsgeschoss gibt es Wechselbeziehungen: Der Büste Nofretetes ist auf der anderen Seite der Museumsfront eine römische Marmorskulptur des Sonnengottes Helios gegenübergestellt.

In der Raumflucht dazwischen, im Niobidensaal unter reichverzierten Eisenträgern und üppiger Ausmalung wird in einer antiken Bibliothek 4.000 Jahre Literaturgeschichte Altägyptens präsentiert - Schätze der Papyrussammlung. Im Obergeschoss erinnern Objekte des Museums für Vor- und Frühgeschichte an den Beginn der Kulturgeschichte von der Steinzeit bis zur Bronzezeit. Hier oben befindet sich auch der Höhepunkt der Sammlung, der "Berliner Goldhut", mythisch inszeniert wie der Zauberhut Harry Potters in einem sternengewölbten Eckraum.

Weltordnung und Ewigkeit

Im Untergeschoss nimmt die Idee der Archäologischen Promenade erstmals Gestalt an: Architekt Chipperfield hat die beiden historischen Innenhöfe des Museums tiefer gelegt. Altägyptische, römische und frühchristliche Sarkophage stehen für das Thema "Jenseits und Ewigkeit" - die Skulptur des Göttervaters Zeus oder auch das zeitgenössische Kunstwerk "Berlin Circle" von Richard Long zeigen Aspekte der Weltordnung.

Für Stiftungspräsident Hermann Parzinger ein optimistischer Auftakt: "Das ist eine grandiose Möglichkeit, die museale Welt der Museumsinsel zusammenzubringen, in Gestalt einer Galerie interdisziplinärer Themen, die von unterschiedlichen Häusern bespielt werden." Die Anbindung an das Alte Museum auf der Südseite und dem Pergamonmuseum auf der Nordseite ist durch Chipperfield vorbereitet. Doch wann der Schlussstein zum Masterplan eingefügt wird, ist noch offen. Im kommenden Jahr soll erstmal der Grundstein für das Eingangsgebäude zur Museumsinsel nach dem Entwurf David Chipperfields gelegt werden.


Hinweis für Besucher: Ab Samstag, 17. Oktober ist das Neue Museum für die Öffentlichkeit zugänglich. An zwei Tagen der offenen Tür können Sammlung und Gebäude zwischen 10 und 18 Uhr bei freiem Eintritt besichtigt werden. Der reguläre Museumsbetrieb beginnt am Montag, dem 19. Oktober. Infos: www.neues-museum.de

epd