Friedenspreisträger Magris wirbt für europäischen Staat
Der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Claudio Magris, hat auf der Frankfurter Buchmesse für einen europäischen Staat geworben. "Unsere Probleme sind keine nationalen Probleme", sagte der italienische Schriftsteller in Frankfurt am Main.

Es sei lächerlich, wenn etwa Einwanderer in Italien und Deutschland gesetzlich unterschiedlich behandelt würden, sagte Magris weiter. Der Autor  wird am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche der mit 25.000 Euro dotierte Preis verliehen.

Europa bringe in der Begegnung mit anderen Kulturen die Betonung des Individuums ein, sagte Magris. Dabei bestimme die europäische Kultur das Individuum als politisches Wesen, das mit dem Gemeinwohl
verbunden sei. Die Angst vor der Nivellierung von Kulturen dürfe nicht zu einer Selbstabkapselung führen, warnte der Autor. "Unsere Heimat ist die Welt wie das Meer für die Fische." Heimatliebe sei
wichtig, dürfe aber nicht zu einer Ideologie werden.

Der italienische Literaturwissenschaftler, Essayist und Romancier zählt nach dem Urteil des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zu den bedeutendsten Germanisten und Kulturpublizisten Italiens und gehört zu den wichtigsten Literaten in Europa. Magris habe sich wie kaum ein anderer mit dem Problem des Zusammenlebens verschiedener Kulturen beschäftigt, sagte der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder. Der Autor hebe hervor, wie kreativ die Verschiedenheit sein könne, wenn sie in ihrer Eigenart geachtet werde.

Streibarer Gegner von Ausgrenzung

Magris ist nach den Worten Honnefelders ein «streitbarer Gegner von Ausgrenzung und kulturellem Dominanzdenken». Der Autor trete für ein Europa ein, das sein Selbstverständnis nicht allein aus
ökonomischen Gesichtspunkten beziehe, sondern "seine geschichtliche und kulturelle Tradition und Vielfalt bedenkt und darauf beharrt".

Der 70-jährige Magris lebt in seinem Geburtsort Triest im Nordosten Italiens. Als Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der dortigen Universität betreute er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2006 die Übersetzung zahlreicher deutschsprachiger Autoren ins Italienische, darunter Joseph Roth, Arthur Schnitzler und Georg Büchner. Als Essayist und Kolumnist der Zeitung "Corriere della Sera" bezieht Magris zu politischen Themen Stellung. Gemeinsam mit Umberto Eco und anderen gründete er 2002 die Vereinigung "Freiheit und Gerechtigkeit", die sich kritisch mit der Politik von Ministerpräsident Silvio Berlusconi auseinandersetzt.

Zu Magris' Veröffentlichungen gehören der Essay "Triest, eine literarische Hauptstadt in Mitteleuropa" (dt. 1987), das Buch "Donau. Biografie eines Flusses" (dt. 1988), "Die Welt en gros und en détail"
(dt. 1999), für das er den wichtigsten italienischen Literaturpreis Premio Strega erhielt sowie der Roman "Blindlings" (dt. 2007). In diesem Jahr erschien auf Deutsch sein jüngstes Werk Ein Nilpferd in
Lund", in dem Magris Geschichten versammelt, die er auf seinen Reisen durch Europa erlebt hat.

Claudio Magris ist Mitglied in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Berliner Akademie der Künste und der Münchner Akademie der Schönen Künste. Er erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen. Auf der Leipziger Buchmesse wurde ihm 2001 der "Buchpreis zur Europäischen Verständigung" verliehen.

epd