Störungen im Betriebsablauf (Folge 4)
Unsere Kolumnistin Ursula Ott ist viel unterwegs. Meistens mit der Bahn. Und da meistens im ICE. Über das, was ihr dort passiert, was sie hört und sieht, schreibt sie. Und nein, es ist nicht immer die Bahn schuld.
15.10.2009
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 12. bis 16. Oktober

Montag

Zwei Welten mischen sich diese Woche im ICE zwischen Köln und Frankfurt: eine kulinarische und eine belletristische. In Köln ist Anuga, die Welt größte Messe für Nahrungsmittel und Gastronomie, in Frankfurt ist Buchmesse. Mein Pendlerzug, in den ich Montag morgens einsteige, kommt aus Brüssel. Und es ist ziemlich schnell klar, wer in Köln aussteigt: es ist eher der kleine Belgier mit Schnauzbart, Typ Hercule Poirot, der vermutlich mit Fritten handelt oder Godiva Pralinen. Wer bis Frankfurt sitzen bleibt, ist dagegen eher die schick gekleidete Belgierin – merke: Buchmessenpubikum ist weiblich – die vermutlich belgische Comics verlegt. Oder so. Noch während ich mein munteres Messeraten anstelle, hält der Zug bereits nach 100 Metern wieder an, mitten auf der Hohenzollernbrücke, und der Zugführer macht genervt sein Fenster auf. Fenster auf? Ich wusste gar nicht, dass es bei diesen Hightech-Zügen überhaupt richtige Fenster gibt. "Macht da hinten die Wasserklappe zu!", ruft der Fahrer, als wäre das hier Märklin HO, und nicht ICE 3. Wann war noch mal Modelleisenbahnmesse? Ich glaub, im November.

Dienstag

Wieder unterwegs aus der Welt des Essens in die Welt der Bücher. Kann nur besser werden Gestern abend beim Kölsch saßen am Nebentisch sehr ernste Messeleute, die über die Proteinversorgung in Schwarzafrika beraten haben. Heute abend gehe ich in Frankfurt aus. Mal sehn, was die so reden. Aber die gehen ja angeblich gar nicht mehr aus, jammert die Frankfurter Gastronomie. Buchbranche in der Krise, Partys abgesagt. Essen hingegen scheint krisensicher. Tütenweise schleppen die Anuga-Leute ihre Schoko-Messe-Täfelchen und Probier-Snacks in den Zug. Wie wärs mit einer milden Gabe für den Sitznachbarn von der Buchmesse? Der lebt in den stickigen Frankfurter Messehallen von geistiger Nahrung und Erdnussflips. Es sei denn, er kennt jemanden beim Wiener Ueberreuter Verlag. Da gibt's immer Sachertorte.

Mittwoch

Heute ist erster offizieller Buchmessentag, und schon der Hauptbahnhof in Frankfurt steht ganz im Zeichen des Buches. "Literaturbahnhof" nennt sich der Pavillon in der Haupthalle, und das ist mal was anderes. Sonst wird an dieser Stelle Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge verkauft, und zwar schon ab September. Was dem Bahnreisenden bei schlechtem Wetter und trübem Licht beizeiten das Gefühl von Advent und ewigem Winter gibt. Aber dagegen gibt's ja jetzt im "Literaturbahnhof" das "Glückspaket" von Eckart von Hirschhausen.  Schlaue Geschäftsidee, denn eigentlich sagt der Kerl ja mit vielen Worten immer wieder dasselbe, dass man gar keine Ratgeber braucht und sich ums Glück nur ja nicht bemühen soll, sonst wird das nix. Ganz schön viel Nix für 49 Euro 90.

Donnerstag

In Köln ist die Messe jetzt abgeräumt, dafür durfte die Kölner Gärtner-Innung den Bahnhof bepflanzen. Zwischen Mister Clou und Mister Minit blühen jetzt rote Astern und gelbe Dahlien. Irgendwie sieht der Bahnhof plötzlich aus wie ein frisch bepflanzter Friedhof vor Allerheiligen. Schön, ja, fast ein bisschen zu niedlich für so eine Errungenschaft der Technik, für so ein Monument aus Stahl und Glas. Aber keine Angst, wo in Köln eine Bank steht, da setzt sich alsbald ein Stadtneurotiker drauf und brabbelt was von rätselhaften Flugkörpern. Das find ich schon wieder gut, denn wir sind ja hier nicht auf dem Melatenfriedhof oder der Blumeninsel Mainau, wir sind hier mitten in der Großstadt.

Freitag

Am Frankfurter Hauptbahnhof klebt ein neues Plakat: Ritter Sport Olympia, Limited Edition. Und das kommt mir jetzt vor wie die perfekte Synthese aus Buch- und Fress-Messe. Ritter Sport Olympia macht übrigens auch glücklich, lieber Herr von Hirschhausen, und kostet nur 1,99.  Heute ist ein großes Kommen und Gehen am Bahnhof, fast überall fangen die Ferien an. Ein Mädchen wird von ihrem Freund so innig begrüßt und geküsst, dass ich denke: Zugfahren ist doch schön. So viele Verliebte sieht man an keinem andern Ort im Land. Wie die beiden sich freuen übereinander, echt süß. Auch so ein Glückspaket. Und kostet gar nichts.


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de

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