Hartz IV: Wenige Ablehnungen wegen zu hoher Vermögen
CDU und FDP haben sich darauf verständigt, dass sogenannte Schonvermögen von Hartz-IV-Empfängern zu erhöhen. Statt bisher 250 sollen künftig 750 Euro pro Lebensjahr unangetastet bleiben. Die neue Regelung ist zwar gut gemeint, geht aber an den Bedürfnissen der Antragsteller vorbei. Denn nur ein ganz geringer Teil von Hartz-IV-Anträgen wird abgelehnt, weil das Vermögen zu hoch ist.

Ein zu hohes Vermögen ist nur selten der Grund, warum ein Arbeitsloser keine Hartz-IV-Leistungen erhält. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) vom Donnerstag wurden von Januar bis zum September dieses Jahres von 5,55 Millionen Hartz-IV-Anträgen 11.000 abgelehnt, weil das Vermögen des Antragstellers die Freibeträge überstieg. Zahlen über Ablehnungen von Hartz-IV-Anträgen allein aufgrund zu hoher Ersparnisse für die private Altersvorsorge gibt es laut BA nicht. Insgesamt wurden 270.000 Anträge abgelehnt, 112.000 davon, weil die Antragsteller ein laufendes Einkommen hatten, die übrigen aus anderen Gründen.

Die hohe Zahl der Anträge erklärt sich aus der Vorschrift, dass alle Hartz-IV-Empfänger jedes halbe Jahr einen Folgeantrag stellen müssen. Auf diesem Weg wird geprüft, ob sie weiterhin Anrecht auf Leistungen haben. Insgesamt beziehen in der Bundesrepublik rund 6,5 Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen, also das Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld für Kinder. Union und FDP hatten am Mittwoch in ihren Koalitionsverhandlungen vereinbart, das Schonvermögen für die private Altersvorsorge von derzeit 250 Euro pro Lebensjahr auf 750 Euro zu verdreifachen. Für einen 65-Jährigen erhöht sich der Freibetrag für die private Altersvorsorge damit von 16.250 auf 48.750 Euro.

Zudem sind Riester-, Rürup- und Betriebsrenten geschützt. Die künftigen schwarz-gelben Koalitionäre vereinbarten außerdem, dass selbst genutzte Immobilien grundsätzlich nicht angetastet werden sollen. Bisher war der Schutz auf angemessene Wohnungen und kleine Eigenheime beschränkt.

Der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz und Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Hessen und Nassau, Wolfgang Gern, sagte dem epd, die Erhöhung der Schonvermögen für die Altersvorsorge "geht an der Realität vorbei: Arme Menschen haben nicht das Problem, dass sie zuviel Vermögen haben." Vielmehr hätten Hartz-IV-Empfänger durchweg das Problem, "dass sie nichts haben."

Im Fokus vieler Klagen stehen völlig andere Punkte: Wie viel Wohnraum ist für einen Hartz-IV-Empfänger angemessen? Welche Umzugskosten werden erstattet? Wer bezahlt die Fachzeitschrift für die berufliche Fortbildung? Mit diesen und ähnlichen Fragen müssen sich die Gerichte befassen. Oft geht es um relativ niedrige Summen, die für die Betroffenen aber viel ausmachen. Experten fordern seit längerem Reformen in der Gesetzgebung. Ein Antrag, der die Hartz-IV-Regeln vereinfachen soll, wurde von den Ländern Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt erarbeitet und liegt dem Bundesrat vor.

Sozialgerichte belastet

Durch diese Flut von Unklarheiten und daraus resultierenden Klagen steigt die Arbeitslast der Sozialgerichte vor allem in den ostdeutschen Bundesländern spürbar an. Die Zahl aller neuen Verfahren hat sich dort innerhalb eines Jahres dramatisch erhöht: In Thüringen stieg sie um 25 Prozent, in Sachsen-Anhalt um 18, in Mecklenburg-Vorpommern um 17 Prozent, in Brandenburg um 15 Prozent und in Sachsen um 13 Prozent. Das geht aus einer Auswertung von Daten des Statistischen Bundesamtes für 2008 durch dpa-RegioData hervor.

Auch in einigen westdeutschen Bundesländern haben die Sozialgerichte erheblich mehr zu tun als im Vorjahr. Einen deutlichen Anstieg der Klagen verzeichneten Niedersachsen (plus 11 Prozent), Baden-Württemberg (plus 6 Prozent) und Bayern (plus 4 Prozent). Bundesweit zählten die Sozialrichter im vergangenen Jahr insgesamt 369.300 neue Verfahren, sechs Prozent mehr als in 2007. Mehr als ein Drittel davon geht auf Probleme mit den Hartz-IV-Regelungen zurück.

Am Beispiel des Bundeslandes Bayern wird deutlich, wie stark allein die Hartz-IV-Verfahren zwischen 2007 und 2008 zugenommen haben. In sechs Regierungsbezirken legten sie um mehr als zehn Prozent zu. Das Sozialgericht Landshut im Regierungsbezirk Niederbayern zählte sogar 32 Prozent mehr Hartz-IV-Verfahren.

epd/dpa