Buchmesse eröffnet - Merkel: Keine Tabus in der Diskussion
Die Frankfurter Buchmesse ist mit Appellen zum respektvollen Dialog und zur Achtung der Meinungsfreiheit gestartet. Kanzlerin Merkel lobte die Literatur als "Schlüssel zum Verständnis von Kulturen".

Bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse unterstrich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bedeutung des Buches als besonderes Gut. Mit Blick auf den Ehrengast China sagte Merkel, das Land wisse, dass sich auf der Buchmesse lobende, abwägende und kritische Stimmen melden werden. "Es wird keine Tabus in der Diskussion geben."

"Großartiges freiheitliches Potenzial"

Mit Blick auf die ehemalige DDR fügte die Bundeskanzlerin hinzu, Bücher hätten "ein großartiges freiheitliches Potenzial". Sie seien  "kein beliebiges Wirtschaftsgut", deshalb werde die neue Bundesregierung an der Buchpreisbindung und an der ermäßigten Mehrwertsteuer für Bücher festhalten. Auch elektronische Bücher (E-Books) sollten der Buchpreisbindung unterstellt werden, sagte Merkel. Die Vielfalt und Verfügbarkeit von Büchern sei zu wichtig, um sie aufzugeben. Zugleich sicherte sie zu, sich für den weltweiten Schutz von Urheberrechten im Internet einzusetzen.

Mit mehr als 7.000 Ausstellern aus 100 Ländern ist die Frankfurter Buchmesse die größte der Welt. Allerdings fällt sie etwas kleiner aus als im Vorjahr: Wegen der Wirtschaftskrise wurden zwei Prozent weniger Ausstellungsfläche vermietet. Vor allem englischsprachige und osteuropäische Verlage haben abgesagt oder ihre Stände verkleinert. Präsentiert werden 400.000 Titel, davon 124.000 Neuerscheinungen.

Der stellvertretende chinesische Staatspräsident Xi Jinping dankte im Namen seiner Regierung und der 1,3 Milliarden Chinesen für die Einladung als Ehrengast der Buchmesse. Dies sei eine wichtige Chance für sein Land, andere Kulturen kennenzulernen, sagte er. Zugleich warb er dafür, den Auftritt Chinas als Fenster zu nutzen, um dessen Kultur nahezukommen. "Unterschiedliche Ideologien dürfen den Austausch nicht behindern und noch weniger Konfrontationen rechtfertigen", sagte Xi.

"China irritiert und fasziniert"

Neben einer offiziellen Präsentation Chinas unter dem Motto "Tradition und Innovation" stehen auf der Buchmesse auch rund 250 Veranstaltungen mit Exil-Autoren und Regimekritikern auf dem Programm. Im September hatte es auf einem China-Symposium in Frankfurt Wirbel um den Auftritt der Regimekritiker Bei Ling und Dai Qing gegeben. Auch die Buchmesse war dabei in die Kritik geraten.

Wenige Stunden vor der Eröffnung hatte Buchmessen-Direktor Juergen Boos die Einladung des "heiklen" Gastlands China erneut verteidigt. "Man kann China bewundern, fürchten oder kritisieren, aber man kann es nicht ignorieren." China irritiere und fasziniere. Diese Herausforderung nehme die Buchmesse an. Ziel sei, eine große Vielfalt von Stimmen zu ermöglichen. Die Messe stehe in der Tradition des liberalen Diskurses und der Provokation. Zugleich betonte Boos die Grundrechte: "Wir verurteilen die Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Volksrepublik China auf das Schärfste", sagte er.

Auch der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder, hob die Meinungsfreiheit als unveräußerliches Grundrecht hervor. "Wir können dieses Menschenrecht nicht verrechnen und nicht relativieren", sagte er.

Herausforderung Digitalisierung

Die Digitalisierung bezeichnete Honnefelder als zentrale Herausforderung der Buchbranche: "Wie können wir mit digitalen Inhalten Geld verdienen?" Zwar gebe es noch wenige Buch-Lesegeräte in Deutschland und erst 65.000 verkaufte E-Books im ersten Halbjahr. Dies könne sich jedoch schlagartig ändern. Entscheidungen zu Urheberrecht, freiem Zugang zu Internet-Inhalten, Digitalisierung von Büchern und Kopierschutz werden über die künftige Buchlandschaft bestimmen. Kritisch äußerte sich Honnefelder über das Buch-Digitalisierungsprojekt der Internetsuchmaschinenfirma Google, das inzwischen wegen Urheberrechtsproblemen zurückgestellt wurde.

Chinesische Regimekrititiker beklagten Zensur und Folter in China. Der in den USA lebende Exil-Autor Bei Ling wies auf die Bedeutung von Untergrundliteratur in der Volksrepublik hin. Der Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, Martin Lessenthin, sagte, China sei nicht nur "Weltmeister im Hinrichten und Foltern, sondern auch bei der Zensur". Die Europa-Chefin der Exil-Zeitung "Epoch Times", Lea Zhou, warnte vor "aggressiven Medienstrategien", mit denen die chinesische Führung auch im Ausland Einfluss gewinnen wolle.

Die fünftägige Buchmesse öffnet an diesem Mittwoch ihre Pforten für Fachbesucher. Am Samstag und Sonntag hat das allgemeine Lesepublikum Zutritt. Die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen in diesem Jahr begründet die Buchmesse mit den Drohungen des Terrornetzwerks El Kaida gegen Deutschland.

epd/dpa